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Kunst-Ausstellung Stille im Kunstmuseum Magdeburg

Der Maler Lawrence Carroll zeigt seine Werke im Magdeburger Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen - als Gesamtinstallation der Ruhe.

Von Grit Warnat 02.12.2017, 00:01

Magdeburg l Leinwand auf Holz, Farbe, Zeitungsseiten darunter, Ausschnitte mit Klammern getackert, zwischendrin eingelassen ins Werk eine gefaltete Leinwand. Die großflächige Arbeit wirkt wie eine Narbe, eine Verletzung. Dem Künstler Lawrence Carroll ist eigen, ein Bild in seinem Atelier nicht wirklich zu vollenden, immer wieder Hand anzulegen, um zu verändern. Eigen ist ihm auch, Bilder oftmals ohne Titel zu lassen. Eindeutigkeit liegt ihm fern.

Wer den Kreuzgang betritt, muss sich einlassen darauf und ist gefordert, selbst nach Deutungen zu suchen. Solche Interpretations-aufgaben sind alles andere als rar in der Kunstwelt, bei Carroll aber sind sie sinnbildlich für sein Schaffen. Bei ihm kann man sich nie sicher sein, wie er sein Werk gemeint hat.

Immer wieder zu finden sind Brüche bis hin zum Verweigern eines Bildes. Er arbeitet in Schichten und legt Gemälde übereinander. Ein anderes Mal faltet er sie und packt sie in Holzrahmen. Er zerschneidet einen massiven Bildkörper, der fern eines Gemäldes wirkt, eher Assoziationen an einen Bettkasten wachruft. Er friert ein Gemälde ein, wie schon auf der Kunstbiennale in Venedig. Er zieht durchlöcherte Leinwände auf Holzbohlen auf, malt sie im sanften Gelb und lässt sie wie Sonnenlicht wirken. Aber ist da nicht eher ein Kugelhagel zu sehen?

Leinwand ist meist dabei und Farbe, selbst bei seinen gekitteten Kästen aus Holz. Dem klassischen Malerei-Begriff aber will man Carrolls Kunst nicht zuordnen. Annegret Laabs, die Direktorin des Kunstmuseums, spricht vielmehr von einer Wanderung zwischen Skulptur und Malerei.

Lawrence Carroll entstammt einem australisch-irischen Elternhaus. Melbourne ist seine Geburtsstadt, er zog nach Amerika und hatte keinen leichten Start in der fremden Welt und in der Kunstszene. Er lebte in New York und Los Angeles, jetzt auch in Italien. Das italienische Bolsena ist eine weitere Carroll’sche Heimat geworden. Es sind seine biografischen Risse, die er in seinen „Konstruktionen“ fortschreibt.

Seine persönliche Spurensuche ist weit entfernt von der permanent vorhandenen Schnelligkeit, Bildüberflutung und Lautstärke. Bei Carroll ist alles ruhig, ohne Lärm, gelblich warm eingetunkt. Wie ein fast monochromes Stillleben wirkt die ganze Ausstellung – äußerst passend zum Kloster-Kreuzgang. Selbst der Fußboden passt sich derart an die Werke an, dass man meinen könnte, er wurde nicht schon vor Jahren in diesem Ton hergerichtet, sondern extra für diese Schau.

Der Künstler hat sich anregen lassen von diesem außergewöhnlichen Raum für ein zeitgenössisches Ausstellungshaus, auch von dem besonderen Lichteinfall. Carroll war in Vorbereitung der Schau mehrmals in Magdeburg. Er selbst war es, der sich entschlossen hat, sein Werk in dieser Form zu zeigen – für ihn eine Gesamtinstallation zu Raum und Licht. Er hat auch den Titel gewählt: „As the Noise Falls Away“ (zu deutsch: „Wenn der Lärm nachlässt“).

Gezeigt werden 60 Arbeiten aus den 1980er Jahren bis heute. Viele Leihgaben kommen aus der Schweiz, aus Italien und von deutschen Galerien. Es ist seit 20 Jahren die erste umfassende Werkschau des 63-Jährigen in Deutschland. Ende der 1980er Jahre war er erstmals in einer großen internationalen Schau in der Bundesrepublik vertreten, wurde gemeinsam mit Joseph Beuys und Bruce Nauman in die Hamburger Deichtorhallen geladen, 1992 auf die documenta in Kassel. Die Liste seiner Ausstellungen außerhalb Deutschlands ist deutlich beeindruckender.

Letzlich waren es jahrelange Kontakte des Museumskurators Uwe Gellner zum Künstler, die die Ausstellung möglich machten. Das Haus darf sich zu recht glücklich schätzen.