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Kunstmuseum Die Kraft der Ordnung

Das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg stellt Arbeiten von Horst Bartnig aus.

Von Grit Warnat 17.02.2017, 00:01

Magdeburg l Eigentlich muss man Horst Bartnig nicht fragen, ob er der Künstler dieser Arbeiten ist, an denen er langsam vorbeischreitet. Er hat zwar einen schwarzen Anzug an, doch unter dem dunklen Textil und dem langen weißen Bart lugt ein Hemd mit auffallend vertikalen Streifen hervor. Weiß, gelb, grün. Der Kragen ist in kleine schwarze und weiße Karos eingeteilt. Bartnig lebt seine Kunst. Auch kleidungsmäßig.

So wie die Linien auf seinem Hemd sind seine Arbeiten. Da gibt es schwarze Striche mit weißen Unterbrechungen und weiße Striche mit schwarzen Unterbrechungen. Sie ergeben ein großflächiges Schwarz-Weiß-Werk. Alles ist aus Linie und doch wird alles zu geometrischen Figuren. Zum Dreieck, zum Rechteck, zum Quadrat.

Bartnig steht vor einer seiner farbintensiven geometrischen Arbeiten. „Sehen Sie“, sagt er und führt den Zeigefinger am Bild entlang, von oben nach unten, „das ist der fortlaufende Strich, der hoch und runter geht. Und zwischendrin gibt es Unterbrechungen.“ Es entstehen die Waagerechten. „Das muss man erarbeiten, immer wieder ausprobieren“, sagt der 80-Jährige. Ist er ein Mathematiker? „Mathematik ist keine Kunst“, sagt er und lächelt wieder mit seinen Augen.

Horst Bartnig ist Theatermaler geworden, weil die einst gebraucht wurden und er an den Broterwerb denken musste. 1954, als er in Magdeburg an der Fachschule für angewandte Kunst begann, hatte der aus Schlesien stammende junge Mann eine Fluchtgeschichte hinter sich. Wenn er heute davon erzählt, spürt sein Gegenüber, wie sich das Erlebte eingebrannt hat in das Gedächtnis, in die Seele, als er bei Egeln mit seiner Mutter aus dem Zug geworfen wurde. „Das sind Dinge, die ich nicht loswerde.“

Das Studium in Magdeburg blieb Bartnig in guter Erinnerung, das Naturstudium, das Aktzeichnen, die Kunstgeschichte, die Anatomie. Er spricht von einer handwerklich guten Ausbildung. Die ermöglichte ihm erst den Weg an das Theater Weimar, dann in die zentralen Theaterwerkstätten Berlin mit Arbeiten unter anderem für das Berliner Ensemble und die Deutsche Staatsoper. Immer, so sagt er, habe er sich auf Bühnenbildner eingelassen, die oft aus der Bildenden Kunst kamen.

Es sind die 60er Jahre, als Bartnig sich selbst künstlerisch stärker verwirklichen will, er erlebt wichtige Ausstellungen, die ihn beeinflussen.

Er malt eigene Bilder, erst nur für sich, es sind Berlin-Arbeiten, beeinflusst von einer grauen Stadt. Später wird er abstrakt, Mathematiker, Chemiker, Physiker reagieren auf seine Werke, arbeiten mit ihm zusammen. „Es war schon recht merkwürdig, dass die Kulturleute mich nach den Naturwissenschaftlern erkannt haben“, sagt Bartnig.

Immer wieder arbeitet er mit variablen Systemen, mit vier Blättern beispielsweise und lässt Variationen entstehen, ebenso mit den Unterbrechungen.

Unterbrechungen, so lautet auch der Titel der Ausstellung, erarbeitet er seit 1984 mit einem Computerprogramm – anfangs an einem sowjetischen Großrechner. „Bis heute entsteht eine fortlaufende Linie über die ganze Bildfläche, und die Unterbrechungen ergeben Strukturen“, sagt der Berliner zu den computergestützten Berechnungen und schaut auf die Linien, die sein Werk charakterisieren – in Gemälden und in Grafiken.

Wer alles so perfekt in Formen setzt, muss ein äußerst ordnungsliebender Mensch sein. „Wissen Sie“, sagt Bartnig, „die Kraft der Ordnung geht in die Bilder, aber nicht in mein Umfeld.“ Er sagt es und lächelt wieder mit den Augen.

 

Ausstellungseröffnung Horst Bartnig „konkret : unterbrechungen“ am 19. Februar um 15 Uhr im Kunstmuseum. Horst Bartnig ist anwesend.