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Literatur Ein Leben für das Wort

Seine Passion sind die Literatur, die Musik, die Regionalgeschichte. Der Schriftsteller Hanns H. F. Schmidt wird am 4. Juli 80 Jahre alt.

Von Grit Warnat 04.07.2017, 01:01

Magdeburg l Hanns H. F. Schmidt lebt für das Wort. Mit dem Geschriebenen hat er sein Geld verdient. Das Gesprochene wählt er ebenso wohl aus. Er ist bis heute ein Erzähler in Wort und Schrift. Mit Freude, auch Ernst und immer einer gehörigen Portion Humor.

Sein Werdegang war irgendwie vorgezeichnet. Der Junge, der in Walkenried im Südharz geboren wurde und in Halberstadt aufwuchs, fand Interesse am dortigen Archiv, am Gleimhaus, er lernte Akkordeon und Klavier spielen, schrieb erste Texte für die Lokalausgabe der Volksstimme. Dann studierte Schmidt Musik und Mathematik in Halle, wurde Lehrer und unterrichtete an einer Magdeburger Schule. Doch die Liebe zum Schreiben war so groß, dass er bald dem sozialistischen Bildungssystem den Rücken kehrte. Er wollte sich lieber mitteilen mit Wörtern und Sätzen in eigenen Büchern. Schmidt tut das seit 1965.

105 Bücher hat er geschrieben. Acht liegen schon wieder beim kleinen Tauchaer Verlag bereit und warten darauf, veröffentlicht zu werden. Seine dort erschienenen Bücher stehen stellvertretend für sein Werk: All das aufspüren, was an Geschichten und Geschichte uns vor der Nase liegt, was aber kaum jemand sieht, weil unser Alltag es zudeckt.

Schmidts Name steht dafür, fast Verschollenes lebendig werden zu lassen, immer wieder Regionalhistorisches aufzublättern – ob zum Bier oder zu Kriminalfällen, zu berühmten Frauen und nicht minder berühmten Kirchen, zu Skandalen in Sachsen-Anhalt und über Literaten.

Bei Schmidt kann man lesen, wie in Zerbst noch im 19. Jahrhundert ein Scharfrichter mit einem sehr merkwürdigen Schwert öffentlich in Aktion trat. Oder wie Kantor Friedrich Pflaumbaum mit einem Schülerchor Weihnachten von Haus zu Haus zog und überall mit einem Schnäpschen belohnt wurde, bis der Kantor schließlich nur noch im Handwagen transportiert werden konnte. Oder dass einst zahlreiche Versuche fehlschlugen, die Fahrzeuge der Selketalbahn mit Schießpulver anzutreiben.

Schmidt schmunzelt. Ja, was hat er alles geschrieben! Immer wieder neue Episoden, immer wieder neue kurzweilige Geschichten. Auch Halberstädter Würstchen und „Im Nu“ aus Magdeburg hat er verewigt.

Schmidt war dafür auf der Suche in Archiven und Museen. Er hat stets nach Wissen gegraben. Fantasie kommt mit dazu, von der er, wie er sagt, jede Menge habe. Und er hat immer beobachtet, zugehört. Das Land gesehen, Leute getroffen, Geschichte erfahren.

Wie einst in der Altmark, in die er sich in den 1970er Jahren aufmachte – zu Fuß, weil er kein Fahrrad und kein Auto hatte, und links und rechts des Weges schaute. Er erzählt gern und ausführlich über diese Zeit, waren es doch seine Recherche-Anfänge, sein Start in ein Schriftstellerleben. „Was ich erlebt und gehört habe, habe ich aufgeschrieben“, sagt er. Davon leben seine Bücher bis heute.

Wenn man Hanns H. F. Schmidt fragt, wie viele Geschichten er geschrieben hat, dann schaut er etwas ratlos drein. Er weiß ganz genau, dass es mit dem mathematischen Kinderbuch „Kein Ärger mit der Algebra“ anfing, das 1966 im Kinderbuchverlag erschien, und dass dann so vieles folgte. Kinderbücher, Hörspiele, Texte für die „Trommel“, eine bekannte Jugendzeitschrift in der DDR, Lesebücher und Skizzen über die Börde und Magdeburg, immer wieder Mitteldeutschland, auch die Ostsee, Thüringen, das Braunschweiger Land, die Mecklenburger Seenplatte. Und immer wieder Texte über die Altmark, die Region, die seine Entdeckungslust einst weckte.

Schmidt, der vor Jahren auch seine Frau mit dieser Entdeckungslust angesteckt hat, trägt immer ein kleines Lächeln im Gesicht, in den Augen glänzt sein Witz, sein Humor. Aber wenn er über sein Leben erzählt, dann gibt es auch das Traurige, die Bomben auf Halberstadt, und diese Ängste, die er nie vergessen wird. Natürlich hat er auch über Krieg, Bomben, Feuer geschrieben.

Er hält so vieles für die Nachwelt fest – auch Musikalisches. Schmidts Name steht nicht nur für Texte, sondern auch für seine Konzerte, für die er ebenso in Archiven Sachsen-Anhalts recherchierte, immer auf der Suche nach heute fast völlig vergessenen Musikstücken. Schmidt, ja, komponiert hat er auch, sammelt alte Notenblätter. Sie sind für ihn ein Stück Musikland Sachsen-Anhalt.

Was ist denn da Gewichtiger in seinem Leben, die Literatur oder die Musik? „Für mich gehört beides zusammen“, sagt er. Prioritäten will er nicht setzen. Und so ist er bis heute ein vielfältiger und unermüdlicher Sucher, ein Geschichtensammler, ein Bewahrer von heimatlicher Identität.

Müde mit 80? Zum Glück nicht vorstellbar. Schmidt schreibt gerade über das Erzgebirge und seine Dörfer, in deren Namen ein Grün steckt, wie er sagt. Er hat viel erfahren. Und seine Leser lässt er natürlich wieder daran teilhaben.