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Literatur Mit Bildern flunkern

Der Verlag Faber & Faber hat zum 300. Geburtstag von Münchhausen dessen Abenteuer herausgebracht. Ein Gespräch mit dem Illustrator.

Von Grit Warnat 11.07.2020, 01:01

Leipzig l Wer kennt sie nicht, die Geschichten von Münchhausen, der auf der Kugel durch die Lüfte flog, bei den Türken in Gefangenschaft war und sich selbst samt Pferd am eigenen Haarzopfe aus einem Morast zog? Es gibt Filme mit Schauspielern und Trickfiguren und zuhauf Bücher. Großen Erfolg brachte die von Gottfried August Bürger (1747–1797) adaptierte englische Fassung der Abenteuer des Barons. Den hatte zu DDR-Zeiten der gebürtige Staßfurter Eberhard Binder illustriert. Sein Münchhausen, damals im Kinderbuchverlag der DDR erschienen, gehörte ins Kinderzimmer.

Durch die Vielzahl an bereits vorhandenen Münchhausen-Variationen stellte sich der Leipziger Illustrator Thomas M. Müller anfangs die Frage, wie man dieser Figur noch etwas hinzufügen könne. Der Verlag hatte ihn um die Bebilderung gebeten, Müller beschäftigte sich erneut mit dem bekannten Text. „Die Lektüre ist unterhaltsam, bereichernd und vielgestaltig“, sagt er und suchte nach der Form, wie er seinen auf den Putz hauenden Münchhausen sehen kann. Er wollte mit Bildern flunkern. Und mit ihnen durch das Buch und seinen barocken Text führen. Vignetten hat er den Kapiteln vorangestellt. Ein Opernglas, eine Brille, Fische auf einem Teller. Sie führen durch das Buch und Münchhausens Welt.

„Als Theaterspiel illustriert“ steht auf dem Schmuckschuber, der den Leinenband umhüllt. Der Leipziger Illustrator, der an der Hochschule für Grafik und Buchkunst als Professor lehrt, erzählt, wie er sich hat inspirieren lassen von den legendären Dingen, die Münchhausen erzählt und die unseren Erfahrungen von der Welt so sehr widersprechen. Für Müller sei das wie ein Theater, eine Inszenierung. Wie würde man auf der Bühne möglicherweise die berühmte Pferde-Sauf-Wasser-Szene darstellen?

Müller sah in der Figur einen Schauspieler, der uns unterhalten will – in einem kleinen Theater, angesiedelt zwischen Varieté und freier Truppe. Der Leser dieser liebevoll gestalteten Geschenkausgabe erfährt Münchhausen denn auch auf einer Bühne, auf der sich der Vorhang öffnet und den Blick freigibt auf einen Baron zwischen imaginärem Tanz und Puppenspiel, mal alleine, mal mit Mitspielern.

Es ist ein schmaler Münchhausen mit dünner Taille und aristokratischer Ausstrahlung, mit langer Nase, die an Pinoccio erinnert. Müller habe sich nicht vom Carlo-Collodi-Kinderbuch inspirieren lassen, sondern wollte ein markantes Aussehen, eine Überzeichnung, eine Überdrehtheit wie der Text eine sei, sagt er.

Jetzt, zum 300. Geburtstag von Münchhausen, liegt das Buch vor. Müller meint, es sei ein Text, in dem man viel entdecken könne, auch einen Münchhausen als zeitgenössische Figur. Müller: „Die Neigung, zu übertreiben, etwas aufzupolieren, sich selber schöner, größer, cooler zu präsentieren, ist uns sehr bekannt.“

Gottfried August Bürger: Wunderbare Reisen zu Wasser und Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, 176 Seiten, 36 Euro.