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Modernisierung Quedlinburg: Das Welterbe ist Baustelle

Das denkmalgeschützte Ensemble auf dem Stiftsberg mit dem Schlossmuseum wird modernisiert.

Von Grit Warnat 22.03.2020, 19:28

Quedlinburg l Dieser Berg atmet Geschichte. Der Ottonen-Dynastie-Begründer Heinrich I., dessen 1100-jähriges Thronjubiläum im vergangenen Jahr gefeiert wurde, hat sich einst Quedlinburg zur Grabstätte auserkoren. In Erinnerung an ihn wurde von Heinrichs Witwe Mathilde und ihrem Sohn Otto I. im Jahr 936 für adelige Mädchen und Frauen ein Stift gegründet. Reich ausgestattet, entwickelte es sich zu einem bedeutenden herrschaftlichen und kulturellen Ort. Die Äbtissinnen besaßen Einfluss – politisch und wirtschaftlich. Die abgehaltenen Hoftage sollen höchst glanzvoll gewesen sein. Das Stift brachte Quedlinburg zur Blüte. Die prachtvollen Residenzräume und Privaträume der Äbtissinnen mit Stuck und Seidentapete erzählen bis heute vom höchsten Adel.

Bis 1803 wurde auf dem Stiftsberg mit der Kirche St. Servatii gewohnt und gelebt und für neue Bedürfnisse immer wieder umgebaut und angebaut. So ist das denkmalgeschützte Ensemble heute ein Abbild einer Baugeschichte durch die Zeiten – vom 9. bis ins 20. Jahrhundert. Vor allem, so sagt Uta Siebrecht, Leiterin des Schlossmuseums und damit in gewisser Weise auch „Herrin“ auf dem Berg, ist hier deutsche und europäische Geschichte geschrieben worden. Heinrich hat das Fundament gelegt für das Heilige Römische Reich. Deutsche Kaiser und Könige kamen auf den Berg. Heute hat Uta Siebrecht dort ihr Büro. Alles vor ihrer Bürotür – das komplette Museum im Nordflügel, auch der Westflügel – ist eine große Baustelle. Für Jahre. Siebrecht, im Moment eher Baufrau als Historikerin, ist die Freude auf Künftiges anzusehen. „Wir machen das historische Ensemble erlebbar“, sagt sie. Längst nicht alles war zugänglich für den Besucher. Das soll nun anders werden.

Der Stiftsberg, so sagt Thomas Malnati, ist das Highlight der Stadt. Der Architekt, als Fachbereichsleiter für Bauen, Stadtentwicklung und Welterbe in Diensten Quedlinburgs, spricht vom Leuchtturm. Nicht nur, weil die aufragenden Servatii-Türme in der Ebene weithin sichtbar sind. Stiftskirche, Grablege, Domschatz, Schlossmuseum seien Anziehungspunkt für Abertausende Touristen. Der Erhalt der Gebäudesubstanz und die Modernisierung stehen ganz oben auf der Agenda der Welterbestadt.

Vor Jahren schon wurden zehn Millionen in die Sicherung des Berges investiert. Im Juni 2019 wurde am Residenzbau – dem Nordflügel mit den einstigen Repräsentationsräumen – ein erster Bauabschnitt fertiggestellt. Ein Teil des Dachstuhles, der Fassade und die Stuckdecke im größten Saal des Damenstiftes konnten restauriert werden. Im November gingen die Sanierungsarbeiten in einem zweiten Bauabschnitt weiter.

Im April soll nun Start sein für den nächsten Bauabschnitt. Ein Umbau-Großprojekt. Anfang Februar schon schloss das Museum. Es wurde und wird beräumt. Das gewaltige Gerüst ist gestellt. Fast 10 Millionen fließen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) und durch Eigenmittel der Stadt. Damit Quedlinburg die Gelder bekommt, habe man viel Zeit und Kraft in den Antrag gesteckt, sagt Malnati. Dass das Weltkulturerbe Stiftsberg in naher Zukunft gesichert, umgebaut und modernisiert ist, war nur möglich mit EU, Bund und Land. Malnati: „Alleine hätten wir das nicht gewuppt.“

Beim Vor-Ort-Termin mit der Volksstimme führt Uta Siebrecht durch ihr Reich. Sie schließt eine schwere Tür im Westflügel auf. „Hier wird zukünftig der Eingangsbereich sein“, sagt sie und führt weiter durch Räumlichkeiten, die irgendwann umgebaut sein sollen. Eine Treppe, eine Garderobe, zukünftige Ausstellungsräume, Fahrstuhl. Alles in engster Abstimmung mit dem Denkmalschutz.

Die Baupläne zeigen, wo was sein wird. Beim Gang durch die Räumlichkeiten sollte man aber eine gute Portion räumliche Vorstellungskraft besitzen. Stufen gibt es zwischen fast jedem der verwinkelten Räume. „Es müssen Böden angehoben und abgesenkt werden“, sagt Siebrecht. Irgendwann soll alles in einem geschlossenen musealen – barrierearmen – Rundgang erlebbar sein – Museum und Stiftskirche nicht mehr getrennt. Die jüngste Heinrich-Ausstellung war schon ein Probelauf für diese weitere Zusammenarbeit zwischen evangelischer Kirchengemeinde und Welterbestadt.

In machen Räumen sind schon Balken freigelegt und werden untersucht, ebenso die Fußböden und Wände. Erste Sondierungen der Fachleute zeigen: Manches wurde zugeschüttet, Wände übermalt. Jahrhundertealter Estrich und Renaissance-Malerei kommen zum Vorschein. „Die Baumaßnahmen werden beitragen, einige Rätsel zu entziffern“, ist sich Siebrecht sicher. Manches wird auch Neues erzählen vom Stiftsberg und dem Leben in seinem Inneren. Die Museumschefin sagt, bis heute wisse niemand, wie viele Umbauten das Ensemble erlebt hat.

Wenn alles gutgeht, hofft die Museumschefin, sollte im Frühjahr, Sommer 2023 alles fertig sein. Das Schlossmuseum hätte dann in den drei Flügeln des Ensembles 2200 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung. Thematisch wird noch alles ausgefeilt, fest steht aber das Grobkonzept. Erzählt werden soll die Geschichte des Stiftes, beginnend bei Heinrich I. und der Bedeutung für die Welterbestadt. 994 schon wurde Quedlinburg in einer Urkunde als Metropole bezeichnet.

Trotz der Baumaßnahmen bleibt der Stiftsberg mit St. Servatii und der Grablege König Heinrichs I. über die kleine Pastorentreppe erreichbar.