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Museum Magdeburgs Reiter auf 400 Seiten

Der Magdeburger Reiter wurde fünf Jahre analysiert und restauriert. Jetzt liegen die Ergebnisse der Forschung in einem Buch vor.

Von Grit Warnat 01.07.2017, 01:01

Magdeburg l Wenn man zu Vorträgen oder Festveranstaltungen im Kaiser-Otto-Saal des Kulturhistorischen Museums Magdeburg sitzt, ist der Blick frei auf die untere Kapelle mit Pferd, Reiter und den beiden steinernen Begleitfiguren. Es ist die Ensemblegruppe des Magdeburger Reiters. Sie ist nicht nur das berühmteste und bedeutendste Kunstwerk des Hauses.

Der Magdeburger Reiter gilt als das älteste erhaltene freiplastische Reiterstandbild nördlich der Alpen. Er ist eine der bedeutendsten Skulpturen des 13. Jahrhunderts. Gabriele Köster, die Direktorin des Museums, nennt ihn ein städtisches Wahrzeichen, vor allem aber sei er ein Kunstwerk des europäischen Mittelalters, eine Skulptur von Weltrang.

Was macht die Besonderheit des Standbildes aus, das in der Wahrnehmung so oft im Schatten des berühmten Bamberger Reiters steht? 400 Seiten gehen auch dieser Frage nach, publiziert sind die neuesten Erkenntnisse zur Skulpturengruppe. Ausgangspunkt sind die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Material, zur Konstruktion und zur Farbigkeit sowie die Restaurierung. Restauratoren um Ernst Thomas Groll haben von 2011 bis November 2015 erst analysiert, dann dem Ensemble zu neuem Glanz verholfen.

Ihre wichtigsten Erkenntnisse sind in einem Kapitel der nun vorliegenden Publikation festgehalten: Das Reiterstandbild war farbig, wie winzige Millimeterreste belegen. Zeitlich und geografisch eingeordnet wurde der verwendete Sandstein, der sich nicht nur in Farbe, sondern, wie Groll sagt, auch in seiner Körnung unterscheidet. Groll mutmaßt, dass die Steinmetze und Bildhauer des 13. Jahrhunderts bereits gezielt verschiedene Sandsteine auswählten – für die Darstellung des fein gearbeiteten Gesichtes eine andere Beschaffenheit als jene für den statisch belasteten Unterbau. Trotzdem soll die Standsicherheit des Monuments im 16. Jahrhundert schon zu Problemen geführt haben. Bereits mit dem Aufstellen der Figur auf dem Alten Markt hat es eine Hilfskonstruktion gegeben.

Für Groll, seit Jahren mit seinem Team auch Restaurator am Magdeburger Dom, steht fest, dass die Erschaffer des Reiters der Jüngeren Magdeburger Werkstatt zugeordnet werden können, jenen Bildhauern, denen der Magdeburger Dom zahlreiche seiner Skulpturen zu verdanken hat. Besonderes Stilmerkmal dieser Werkstatt: Es wurde nicht in einem Block gearbeitet, sondern mehrere Steine zusammengefügt – mit Dübeln und Klebemasse. Das war damals keine gängige Arbeitsweise.

Neben den Meinungen der Restauratoren versammelt der opulente Band auch Beiträge von Fachleuten aus den Bereichen Geschichte, Kunst- und Rechtsgeschichte. Es geht dabei unter anderem um Parallelen zum Bamberger Reiter und zu den Naumburger Stifterfiguren, um die Rezeption des Reiterstandbildes und seine Instrumentalisierung in der Zeit des Nationalsozialismus, auch um das Denkmal im Zentrum der Stadt. Während der Bamberger Reiter eine Kirche schmückte, stand der gekrönte Magdeburger Reiter auf dem Marktplatz. Seit 1961 ist das steinerne Kunstwerk im Museum, seit 2000 an seinem heutigen Standort.

Auf dem Markt – wie das Original erhöht und unter einem Baldachin – steht eine bronzene Kopie, weil der Reiter erst vor den Bomben des Krieges, dann vor Witterungseinflüssen in Sicherheit gebracht wurde.

Der Reiter ist restauriert, das Projekt mit dem Band abgeschlossen. Er zeigt auf 400 Seiten, über welchen steinernen Schatz diese Stadt verfügt, den sie gebildeten, weitgereisten Erzbischöfen zu verdanken hat.

„Der Magdeburger Reiter“ ist erschienen in der Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg, Verlag Schnell & Steiner Regensburg, 49,95 Euro.