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Ballett-Premiere Halberstadt feiert Carmen

Can Arslans Inszenierung von Ballett-Klassiker bringt Publikum am Nordharzer Städtebundtheater zum Jubeln.

Von Hans Walter 12.03.2018, 07:02

Halberstadt l Das Ballett „Carmen“ in der Inszenierung von Can Arslan begeisterte in der Uraufführung am Sonnabend die Zuschauer im Nordharzer Städtebundtheater. Sie spendeten Applaus und stehende Ovationen im fast ausverkauften Großen Haus.

Die Begeisterung galt vor allem dem Ballettmeister Can Arslan, dem Dirigenten MD Johannes Rieger, dem Gitarrensolisten und Komponisten Gonzalo Alonso und den Solisten Debora di Biagi (Carmen), Andrea Zinnato (Don José) und Denison Pereira da Silva (Escamillo). Im Vergleich zur Bizet-Oper oder zur zugrunde liegenden „Carmen“-Novelle von Proper Merimée reduzierte die Regie auf die notwendigsten Protagonisten. Arslan nutzte die Carmen-Suiten Nr. 1 und 2 sowie die zweite L‘Arlesienne-Suite des bereits mit 37 Jahren verstorbenen französischen Komponisten Georges Bizet. Große Solovioline, Harfe und Flöte ragten dabei besonders aus dem wundervoll romantisch aufspielenden Orchesterapparat hervor; kunstvoll von Johannes Rieger ziseliert. Das war das musikalische Gerüst.

In das fügte der Ballettmeister die neuen Kompositionen seines spanischen Freundes Gonzalo Alonso ein. Eine exzellente Kammermusik. Bereits vor einem Jahr hatte Alonso für Halberstadt komponiert – für die Musiktheater-Inszenierung des Briefromans „Gefährliche Liebschaften“.

Im Mittelpunkt stand der Liebeskonflikt zwischen der wunderschönen, verführerischen Zigarrenarbeiterin Carmen, dem Soldaten Don José und dem Stierkämpfer Escamillo. Als sie sich dem Stierkämpfer zuwendete und dem Soldaten den Laufpass gab, erstach er sie, nachdem er sie schon vorher voller Eifersucht misstrauisch verfolgt hatte. Wenn er die geliebte Frau schon nicht bekam, sollte sie auch keinem anderen gehören. Nur ihm, auch im Tod. Ein Stalker, eine höchst aktuelle Deutung des ewigen Stoffes um Liebe und Leidenschaft. Das Triumvirat hatte große tänzerische Aufgaben zu bewältigen – solistisch und im Pas de Deux, mit kraftvollen Körpersprache, Hebungen und Sprüngen. Ein grandioses Spiel mit den Körpern und Kostümen (Ausstattung: Verena Hemmerlein). Zum Schluss riss vom langen roten Kleid Carmens der Saum ab. Wie eine blutige Spur. Zwar nicht gewollt, aber dennoch ein Zeichen in diesem Drama um Sex, Liebe und Selbstverwirklichung.

Arslan charakterisierte den Alltag der Arbeiterinnen in der Zigarrenfabrik wie den Drill der Soldaten sehr genau. Er gab der mysteriösen Wahrsagerin (Caterina Cerolini) geheimnisvolle, das Geschehen vorweg nehmende Züge. Die Männer mussten sich längere Haare und Koteletten wachsen lassen, um mit gegelter Haarpracht dem spanischen Vorbild zu entsprechen. Er forderte von seinem Ensemble Höchstleistungen – ganz gleich, in welcher Position sie tanzten wie Shainez Atigui, Masami Fukushima mit di Biagi und Cerulini in der Gruppe. Er machte dessen personelle Kleinheit dank Ankleiderinnen, Requisite und Maske und vor allem dank tänzerisch größter Variabilität vergessen. Seine „Carmen“ wurde zum großen Ballettabend am Nordharzer Städtebundtheater.