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Chöre Mission Gold im Harz

Die World Choir Games gelten als Chor-Olympiade. Wer fährt, gehört zu den Besten - wie der Kammerchor Wernigerode.

Von Grit Warnat 21.06.2018, 01:01

Wernigerode l Morgen reisen die in ganz Deutschland verstreuten Chormitglieder nach Berlin. Abends wird es eine Probe geben, Sonnabend dann einen Auftritt in der Kirche im brandenburgischen Geltow, Sonntagvormittag in der Pauluskirche in Berlin-Zehlendorf. Beide Male singt der Chor sein Wettbewerbsprogramm, mit dem er in zweieinhalb Wochen in Südafrika die Jury beeindrucken möchte.

Die Anspannung steigt, sagt Benjamin Stielau. Stielau ist seit Sommer 2017 künstlerischer Leiter des Ensembles und im Gespräch merkt man ihm an, dass jede Menge Vorfreude auf die Reise mitschwingt, aber auch ebenso eine professionelle Fokussierung auf den Wettbewerb. Der Chor, der zu den European Choir Games 2015 in Magdeburg zwei Goldmedaillen ersang, will wieder ganz oben stehen. Dafür wird hart gearbeitet. Letztlich, das weiß Stielau, müsse die Jury überzeugt werden. „Wir brauchen eine gute Einheit aus Rationalität und Emotionen“, sagt er. „Der perfekte Auftritt ist ebenso wichtig wie das Musizieren mit Herzblut.“

Der Chor ist noch jung, aber schon sehr wettbewerbserfahren. Gegründet wurde er 2003 von Ehemaligen des Landesgymnasiums für Musik Wernigerode. Bereits drei Jahre später hat das Ensemble den ersten Grand Prix der Chöre gewonnen, veranstaltet vom ZDF. Daraufhin wurde er eingeladen zum World Folksong Festival in Peking. Preise auf Landes- und Bundesebene folgten. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Sängerinnen und Sänger für Proben teils Hunderte Kilometer zurücklegen müssen. Mittlerweile arbeiten und studieren sie überall in Deutschland. Und so sind Auftritte wie jetzt am Wochenende immer auch Probenarbeit. Die Konzerte seien wie ein Brennglas, sagt der Chor­chef, man schaue, was nicht so zufriedenstellend war, überarbeite Tempo, Aufstellungen, probiere Neues. „Wir wollen vermeiden, dass eine schlechte Routine einkehrt“, sagt Stielau.

Für Südafrika steht schon vieles fest. Die acht sehr verschiedenen Stücke zum Beispiel, für die man sich im Vorstand, Beirat, Chor entschieden hat. Alles sehr anspruchsvoll, sagt Stielau. Und außergewöhnlich wie etwa das Klangerlebnis „Stars“, basierend auf einem Gedicht der US-amerikanischen Dichterin Sara Teasdale. Zudem hat der Magdeburger Komponist Jens Klimek den Wernigerödern ein Werk komponiert. „Gadji Beri Bimba“ – ein dadaistischer Text bildet die Grundlage – wird zum Wettbewerb in Südafrika uraufgeführt. Der Kammerchor nimmt in zwei Wettbewerbskategorien teil. Der Anspruch ist hoch. Stielau nennt den Goldbereich.

Fest steht auch die Spielstätte in Pretoria (Metropolregion Tshwa­ne): Ein holzgetäfelter Saal, den sich der Chor schon mal im Internet angeschaut hat. Was die Sänger und ihren Chorchef akustisch erwartet, werden sie erst zur kurzen Probeauftrittsmöglichkeit erfahren.

Noch ist Zeit zum Üben und Verfeinern – auch zum Sammeln von Geld. „Dieses Projekt ist das größte und gleichzeitig teuerste unserer Vereinsgeschichte“, sagt Vereinsvorsitzende Anja Lücke. „Allein die Flüge kosten um die 40.000 Euro.“ Die Vereinskasse reicht da bei weitem nicht aus. Sponsoren helfen, und jeder Sänger bringt einen gehörigen Eigenanteil mit. Zudem will der Chor 6000 Euro über eine noch bis zum 30. Juni laufende Crowdfounding-Aktion sammeln. Über 4000 Euro sind schon zusammengekommen. Übers Dankeschön-Sagen denken die Chormitglieder auch schon nach: Mit Postkarten und Videobotschaften aus Südafrika.

Am Abend des 7. Juli geht das Flugzeug nach Südafrika, am 16. Juli morgens wird der Chor in Deutschland wieder landen. Vielleicht ja mit dem erhofften Gold im Gepäck.