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Folkrock Protestsänger aus Leidenschaft

Seine große Zeit waren die 1970er - Jackson Browne schrieb und sang Lieder voller Wohlklang und Wärme. Nun feiert er seinen 70. Geburtstag.

04.10.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Die Regierung von Donald Trump muss für einen links-intellektuellen Musiker wie ihn der blanke Horror sein. Denn Jackson Browne, der am 9. Oktober 70 Jahre alt wird, hat schon gegen die aus seiner Sicht grundfalsche Politik zivilisierterer, milderer US-Präsidenten angesungen. Selbst Barack Obama bekam seinen Zorn zu spüren, als „Militarist“ im Drohnenkrieg, wie der Singer-Songwriter 2015 ätzte. Da war Trump noch weit weg, und Browne ahnte bereits Böses angesichts einer Hillary Clinton.

Schon vor 40 Jahren protestierte Browne – auf der Höhe seines Erfolges mit mehreren Top-10-Alben in den US-Charts – gegen die Atomkraft. Der Folkrocker zog dann Mitte der 80er mit Songs gegen Ronald Reagans US-Interventionspolitik in Mittelamerika zu Felde, engagierte sich gegen Waffenhandel und Kriegstreiberei und immer wieder gegen Umweltzerstörung. „Which Side?“ fragt er bis heute, in einem seiner neueren, immer noch kraftvollen Lieder: Auf welcher Seite stehst du – bei Themen wie Profitgier von Bankern oder dem Lobbyismus einer rücksichtslosen Energiewirtschaft?

Dabei war Browne die (manchmal auch überzeichnete) Rolle des Protestsängers nicht in die Wiege gelegt. Als Kind eines Zivilangestellten der US-Armee 1948 in Heidelberg geboren, wuchs er nach der Rückkehr aus Deutschland im sonnigen Kalifornien auf. Früh reifte er zu einem guten Gitarristen (etwa in der Band des genialen Tim Buckley) und zu einem herausragenden Songwriter.

Sein erstes Lied, das er schon mit 16 geschrieben haben soll, hieß „These Days“ und ist heute ein Klassiker, außerdem verfasste er Stücke für die deutsche Sängerin Nico (zuvor Velvet Underground) und den Welthit „Take It Easy“ für die Eagles (1973). Sein Leben leicht nehmen, das schaffte Browne selbst nicht immer – daher waren seine Texte oft von Nachdenklichkeit und Melancholie geprägt, passend zu dieser schönen, klaren, aber nie ganz unbeschwert klingenden Stimme.

„Das Songwriting zu jener Zeit war wirklich sehr kraftvoll und elementar“, erinnerte sich Browne kürzlich in einem Interview an die gute Schule seiner jungen Jahre. „Wir wuchsen ja mit Bob Dylan, John Lennon, Leonard Cohen und Joni Mitchell auf.“ Er lernte schnell, seine eigenen Talente zu entwickeln, und brachte in den 70ern fast jährlich neue Alben voller hochklassiger Lieder heraus, die dazu auch noch immer erfolgreicher wurden.Es gab damals künstlerische Höhepunkten zu feiern wie „Late For The Sky“ und „The Pretender“ (laut Musikmagazin „Rolling Stone“ zwei der besten Platten aller Zeiten), danach auch kommerzielle Volltreffer wie „Running On Empty“ und „Hold Out“, sein Nummer-eins-Album von 1980.

Manchmal konnte man Browne kaum entkommen: Lieder voller Wohlklang und Wärme wie „Doctor My Eyes“, „Fountain Of Sorrow“, „The Load-Out/Stay“ oder „Tender Is The Night“ liefen im Radio, besonders Studenten und Intellektuelle liebten seine Musik.

Fast 20 Millionen Tonträger soll Jackson Browne bis heute verkauft haben, und er kassierte 17 Platin-Auszeichnungen.

Der Triumphzug des Musikers aus Los Angeles in den 70ern und 80ern war laut Online-Lexikon Allmusic kein Zufall, galt er doch als „der typische sensible Singer-Songwriter aus Kalifornien (...). Keiner passte so sehr zum Zeitgeist der Jahre nach den Sixties wie Browne.“

Privat lief es nicht immer glatt für den gutaussehenden Mann mit den markanten Wangenknochen. 1976 verlor Browne seine erste Ehefrau Phyllis durch Suizid. Später kam es zu einer bitteren Trennung von der Schauspielerin Daryl Hannah – wegen des Verdachts häuslicher Gewalt musste sich der als Pazifist auftretende Sänger öffentlich verteidigen.

Mehr noch irritierte konservativere Fans Brownes zunehmend wutentbrannte Polit-Agenda. Die Erfolgskurve seiner Alben, die überdies teilweise arg glatt produziert waren und dem Rock-Mainstream immer näher kamen, zeigte bergab. Seit den hoch engagierten Platten „Lawyers In Love“ (1983) und „Lives In The Balance“ (1986) hat Browne keine größeren Charts-Erfolge mehr gehabt, die Karriere verlief mit langen Kreativpausen und einem lediglich soliden Alterswerk unspektakulär. Brownes Verdienste für die US-Rockmusik sind freilich unbestreitbar. 2004 wurde er in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen, und zwar vom Giganten Bruce Springsteen höchstpersönlich. Und der „Rolling Stone“ listete ihn noch 2015 unter den 40 weltbesten Songwritern auf. Inzwischen wirkt Browne innerlich befriedet, bei all dem politischen Furor, den er weiter in sich trägt. Er wolle den Menschen „keine Strafpredigt halten“, sagte er dem Magazin „Esquire“ zu seinem bisher letzten, sehr guten und auch wieder wohlwollend aufgenommenen Album „Standing In The Breach“ (2014). „Ich möchte keine Polemik schreiben, sondern einen guten Song, den jeder genießen kann.“