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Musiktalent Berufswunsch: Dirigent

Junge Talente treffen sich derzeit in Halberstadt zur 28. Orchesterwerkstatt des Landesmusikrats. Unter ihnen ein erst Zwölfjähriger.

Von Emily Engels 17.05.2017, 01:01

Halberstadt l Bei Maximilian Cem Haberstock fängt alles mit dem Klavierspiel an. Denn wenn er am Instrument sitzt, sind sie plötzlich da. Die Melodien, die Leitmotive, all die unterschiedlichen Klangfarben, die ein Sinfonieorchester zu bieten hat. „Ich denke eigentlich nicht mehr in weniger als 24 Notensystemen gleichzeitig“, sagt der Münchner. Für einen Komponisten an sich überhaupt nicht ungewöhnlich. Doch Maximilian ist gerade mal zwölf Jahre alt – und damit der jüngste Teilnehmer der Orchesterwerkstatt in Halberstadt.

„Der Takt 61 muss mit mehr ‚Tam-Tam‘ gespielt werden“, sagt Maximilian zu den Musikern des Nordharzer Städtebundtheaters. Intendant Johannes Rieger muss unweigerlich schmunzeln – mit ihm die Streicher in den ersten Reihen des Orchesters. Nicht, weil sie sein Gesagtes nicht ernst nehmen, sondern weil sie sichtlich beeindruckt und irgendwie auch gerührt sind von den genauen Vorstellungen eines Zwölfjährigen.

Für die Orchesterwerkstatt wurde er als einer von sieben Teilnehmern ausgewählt. Beworben hat er sich mit dem vierten Satz seiner Symphonischen Suite für Orchester – dem Sturm. „Vom Stil her würde ich es irgendwo zwischen Beethoven und Mahler einordnen“, sagt der junge Komponist über das Stück. Das Werk ist insgesamt sehr tonmalerisch – im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Kompositionen überhaupt nicht atonal.

„Er ist als Teilnehmer natürlich wahnsinnig jung – für sein Alter hat er eine unverhältnismäßig gute Bewerbung eingereicht“, begründet einer der Dozenten und Jury-Mitglieder Martin Christoph Redel seine Entscheidung, Maximilian in den Kurs mit aufgenommen zu haben.

Auch Dozentin Annette Schlünz sagt: „Es war ziemlich beeindruckend, wie fehlerfrei er als Zwölfjähriger bereits komponiert.“ Und Maximilian selbst? Er spricht von der Musik mit einer solchen Leichtigkeit, von seinen Erfolgen mit einer Selbstverständlichkeit. Kein Wunder, schließlich spielt er bereits seit mehr als der Hälfte seines Lebens Klavier und komponiert seit dem neunten Lebensjahr – seit einem Viertel seines Lebens.

Für Maximilian ist der Probenabend mit dem Orchester in Halberstadt aufregend. Denn seine Symphonische Suite hört er heute zum ersten Mal mit einem echten Orchester. Zuhause komponiert der junge Musiker mit einem Computersystem. Höre man sich das komponierte Stück von dem digitalen „Orchester“ an, klinge die große Trommel so hässlich, dass er schon so manch ein Werk kurzfristig umkomponiert habe, erklärt er.

Mit zwölf Jahren musikalisch bereits so weit zu sein, ist mit viel Disziplin verbunden, die Maximilian laut eigener Aussage selbst entwickelt hat. „Mein Alltag ist genau durchgetaktet“, erzählt er. Nach der Schule ist er mehrmals wöchentlich für ein paar Stunden in der Musikhochschule. Dort bekommt er Kompositionsunterricht bei Professor Kay Westermann.

Im Fach Dirigieren wird Maximilian im Rahmen eines Förderprogrammes an der Städtischen Sing- und Musikschule unterrichtet, für nächstes Jahr will er sich an der Musikhochschule als Jungstudent für das Fach bewerben.

Denn eigentlich möchte Maximilian Dirigent werden. Inspiration hierfür holt er sich schon jetzt bei den ganz Großen. Er schaut regelmäßig bei den Proben von Mariss Jansons beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu. „Von ihm kann man viel lernen, er ist so präzise“, sagt Maximilian. Mariss Jansons hat dem Jungen auch nahegelegt, ein Instrument richtig gut beherrschen zu müssen, um Dirigent werden zu können. Das nimmt sich Maximilian zu Herzen. Vor ein paar Wochen ist er mit dem Klavier an einem Ort aufgetreten, von dem manche Musiker ihr Leben lang nur träumen können: in der Carnegie Hall in New York. Er hat dort Beethoven gespielt – seinen Lieblingskomponisten.

Als Komponist wagt Maximilian sich derzeit an die Königsdisziplin für jeden Komponisten: Seine erste Oper – nach der Geschichte von Shakespeares Hamlet. „Neben den verschiedenen Charakteren haben auch bestimmte Stimmungen ihr eigenes Leitmotiv“, erzählt Maximilian. Er spricht etwa von dem Mitternachtsmotiv, das die schaurige Stimmung wiedergeben soll, wenn der Geist Hamlet erscheint.

Um den Originaltext zu verstehen, brauchte Maximilian keinen Übersetzer. Denn der Zwölfjährige spricht fließend drei Sprachen: Deutsch, Englisch und Türkisch – die Herkunftssprache seiner Mutter Elif Haberstock.

Auch am Münchner Wilhelmsgymnasium zählt Maximilian zu den Klassenbesten. „Die Hausaufgaben bekomme ich ich meistens relativ schnell hin“, sagt Maximilian. Seine schulischen Leistungen kommen seiner Meinung nach eher durch Begabung statt durch Fleiß. Elif Haberstock erklärt: „Maximilian ist in allem was er tut nur schwer zu stoppen. Zum Glück sind aufgrund seiner Leistungen Schulbefreiungen für Konzerte und Meisterkurse immer wieder möglich – wir sind der Schule dafür sehr dankbar.“

Ist Maximilian fertig mit dem Schul- und Musikunterricht zieht er sich am liebsten zurück – und schreibt endlich all die Melodien auf, die ihm tagsüber im Kopf herumgeschwirrt sind.