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Fraser A. Gorman und die Dylan-Vergleiche

06.07.2015, 17:41

Berlin - Ein "neuer Dylan" wurde schon oft ausgerufen, wenn es um junge ambitionierte Singer/Songwriter ging. Bei Fraser A. Gorman dürften bereits Äußerlichkeiten für solche Vergleiche sorgen.

Denn wie sich der lockenköpfige Australier auf dem Cover-Foto von "Slow Gum" (House Anxiety/Marathon) mit skeptischem Blick zur Kamera wendet, neben sich eine blonde Frau in Rückenansicht, das erinnert unweigerlich an das legendäre Album "The Freewheelin\' Bob Dylan" (1963). Nur eben spiegelbildlich, denn Dylan und seine Freundin waren damals von vorn zu sehen und bester Laune.

Ein muffeliger Dylan-Epigone ist Gorman auf seinem Debüt in musikalischer Hinsicht jedoch keineswegs. Die Platte hat einige Facetten mehr zu bieten. Auch wenn das US-Vorbild meist im Hintergrund mitschwingt.

So könnte der Opener "Big Old World" mit verhalltem Gesang und schlichter Akustikgitarren-Begleitung glatt von einem Dylan-Album aus den frühen bis mittleren 60er Jahren stammen. Das saftige "My Old Man" mit Fiddle und Piano vollzieht die anschließende Karrierephase nach, als der große Songwriter die elektrische Gitarre entdeckte und quasi den Folkrock erfand. Und auch das abschließende "Blossom & Snow" bleibt Dylans Sixties-Stil treu.

"Book Of Love" ist indes ein aufgekratzter Gospel-Folk-Track, mit dem sich Gorman erstmals ein Stück weit vom Meister emanzipiert. "Shiny Gun" oder "Broken Hands" sind wunderbar lässige Folkpop-Songs, wie sie ein Lloyd Cole - seinerseits ein "neuer Dylan" damals in den 80ern - kaum besser hinbekommen könnte. Auch Bill Callahan oder Evan Dando tauchen später noch als naheliegende Inspirationsquellen auf.

Aus einer kompakten Sammlung hübscher, hochwertiger Lieder sticht "Dark Eyes" nicht nur wegen Überlänge hervor, sondern auch qualitativ. Hier gelingt Fraser A. Gorman - übrigens ein guter Freund der zurzeit schwer gehypten Courtney Barnett - der Brückenschlag zu einem anderen Songwriter-Helden: Wie er in gut fünf Minuten Lou Reeds "Walk On The Wild Side" mit "Sweet Jane" verknüpft, ohne dass das dabei entstehende neue Lied jemals nach Abkupferei klingt, das ist wirklich großartig.

Wenn Gorman auf diesem Niveau weitermacht, könnte sein zweites Album zu einer Sensation ohne (ehrenvolle? lästige?) Dylan-Vergleiche werden. Aber auch so ist "Slow Gum" eine erstaunlich reife und vor allem ausgesprochen kurzweilige Einsteigerplatte eines Hochtalentierten.