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Oper Magdeburg Puccini zur Nazizeit

Das Magdeburger Opernhaus verlegt die Puccini-Oper „Tosca“ in den Zweiten Weltkriegs - und spielt auf sich wiederholende Geschichte an.

Von Irene Costantin 21.10.2016, 23:01

Magdeburg l Mit dem akkordisch donnernden „Teufel in der Musik“, dem Tritonus, beginnt die Oper, mit dem Hoffnungsmotiv der Liebesarie „E lucevan le stelle“, „Es leuchten die Sterne“ endet sie. Kontrapunktisch die Handlung. Am Beginn steht die hoffnungsvolle Flucht des republikanischen Konsuls Angelotti aus dem Gefängnis des Polizeichefs Scarpia, am Schluss stürzt sich die Sängerin Floria Tosca in den Tod.

Das Drama dazwischen nutzt ungeheuerliche Taten, Gefühle ohne Wenn und Aber. Der Maler Mario Cavaradossi liebt die Primadonna Floria Tosca. Sie gefällt sich in dramatischer Eifersucht auf alles, was er tut. Scarpia ist ein brutaler Folterer, sogar seine sexuellen Träume handeln von gewaltsamem Besitzergreifen. Er lässt Cavaradossi, in dem er zu Recht einen Helfer Angelottis vermutet, verhaften und foltern. Tosca könne sein Leben retten, wenn sie sich ihm hingäbe, so sein Angebot. Sie, inzwischen unerschütterlich an der Seite des Geliebten, geht darauf ein, lässt sich Passierscheine ausstellen und ersticht Scarpia sodann. Zuvor hatte er, damit nichts auffiele, eine Scheinerschießung Cavaradossis angeordnet. Die Formulierung dieses Befehls bedeutete für Scarpias Schergen indes, den Maler doch hinzurichten. Mario stirbt, der Mord an Scarpia wird entdeckt, Tosca nimmt sich das Leben. Auch Angelotti, dessen Versteck entdeckt wurde, beging Selbstmord. Zwei Morde, zwei Selbstmorde sind die Schreckensbilanz dieser enorm beliebten Oper, die in Magdeburg vor nur 10 Jahren das letzte Mal inszeniert wurde. Starke Charaktere und Puccinis Vorstoß in die musikalische Moderne laden das Werk mit großer Spannung auf.

Vor allem diesen Aspekt betonte Kimbo Ishii am Pult der Magdeburgischen Philharmonie. Er stellte alles Raue, Unvermittelte und Ungezügelte der Musik deutlich aus. Dennoch fehlen dieser „Tosca“ weder Temperament noch Schwung, weder Zärtlichkeit noch Melancholie. Weltentrückt der 3. Akt, trotz Mord und Selbstmord ein orchestraler Liebestod für den Maler und die Sängerin.

Karen Stone verlegt ihre Inszenierung von 1800 in das Jahr 1944. Die Alliierten rückten bereits auf Rom vor, als sich dort ein ähnliches Drama wie 150 Jahre zuvor ereignete. Eine populäre Schauspielerin rettete den Filmregisseur Luchino Visconti, indem sie sich zwangsweise mit dem Anführer einer italienischen faschistischen Bande einließ. Lediglich die Kostüme markieren deutlich das faschistische Italien, die Personen könnten ebensogut 1800 oder irgendwann agieren, Stone betont die Wiederholung von Geschichte. Tosca agiert ganz als Primadonna, sowohl in ihrer aufgesetzten Eifersucht als auch in ihrer eisernen Treue. Erst allein mit dem Geliebten wird sie Mensch.

Elizabeth Llewellyn spielt diese Veränderungen so genau, wie sie sie vokal ausdeutet. Vom Koketten und Verspielten findet sie zu warmen Herzenstönen. Klangschön ist jeder Ton, aber das Stimmlich-Darstellerische macht ihre Tosca hervorragend. Paul O’Neill, groß und schlank von Gestalt, ist mit dem Cavaradossi ein Anwärter auf die allerersten Bühnen. Keine Höhenprobleme, keine Piano-Probleme, keine Konditionsprobleme, reiner Wohllaut.

Die dritte Hauptperson, Sangmin Lee als Scarpia, überzeugte mit unerschütterlich stahlharter Donnerstimme. Ein Typ zum Fürchten. Dennoch bejubelt wie die gesamte Aufführung – alles in allem großes Theater.