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Rundfunk-Jugendchor Chor-Gründer Friedrich Krell wird 90

Der Gründer des Rundfunk-Jugendchors Wernigerode, Friedrich Krell, feiert 90. Geburtstag. Er hat Sachsen-Anhalts Chorlandschaft geprägt.

Von Julia Bruns 13.07.2018, 01:01

Wernigerode l Wenn einer wie er 90 Jahre alt wird, dann stehen die Gratulanten Schlange: Friedrich Krell - 45 Jahre lang Chorleiter des Rundfunk-Jugendchores in Wernigerode, seit 2003 Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und 2015 Preisträger des Landesmusikpreises – feiert heute im Kreise seiner Familie. Und bewusst fernab des Trubels: Aus Tradition fährt die Familie jedes Jahr rund um den Geburtstag in den Urlaub – nicht ganz zufällig auch in diesem Jahr.

Für sein Alter ist er fit. „Aber er steht nicht gern im Rampenlicht“, verrät sein Nachfolger Peter Habermann. Beim Landeschorfest im Juni in Wernigerode habe Krell beim Sonderkonzert des Rundfunk-Jugendchors auf Einladung in der ersten Reihe gesessen. Sein bloßes Erscheinen sorgte für Standing Ovations. Noch heute ist Friedrich Krell Ehrendirigent des Rundfunk-Jugendchores am Landesgymnasium für Musik in Wernigerode, den er vor 67 Jahrzehnten übernahm – was der damalige Direktor im Bewerbungsgespräch voraussetzte.

Vor Krells erstem Arbeitstag am 1. Mai 1951 bestand der Chor aus wenig ambitionierten jungen Sängern: Sie schwänzten die lästigen Chorproben, tanzten den Chorleitern auf der Nase herum, jagten einen nach dem anderen über den Jordan. Bis Friedrich Krell kam.

Der gebürtige Wiesbadener, in Halle hatte er Chemie und Musik auf Lehramt studiert, war am Gerhart-Hauptmann-Gymnasium Wernigerode innerhalb weniger Tage beliebt wie respektiert. Innerhalb weniger Wochen überzeugte er als Vertretungslehrer Schüler aus allen Klassen, dem Chor beizutreten. Zur ersten Probe am 16. Mai 1951 kamen weit über 150.

Bis heute haben Generationen junger Menschen im Rundfunk-Jugendchor gesungen. Dort wurde die Basis für musikalische Karrieren gelegt. „Er war kaum älter als wir“, erinnert sich seine frühere Schülerin Monika Hauff. Als Chemielehrer sei er streng, aber gerecht gewesen.

Heute lebt die Sängerin in Berlin, nach Wernigerode zieht es sie nur selten. Dennoch – ohne die Zeit im Rundfunk-Jugendchor unter Friedrich Krell wäre sie wohl kaum auf die Idee gekommen, ihren Lebensunterhalt mit der Musik zu bestreiten.

Mit dem Duo Hauff und Henkler verkaufte sie mehr als zehn Millionen Tonträger. „Friedrich Krell hat seine Seele für den Chor gegeben“, blickt sie zurück. „Wenn er die Aula betrat, waren wir still. Wir hatten Respekt.“ In den Chor habe sie unbedingt gewollt, um 1956 mit nach Paris zu fahren, wo der Rundfunk-Jugendchor an der I. Internationalen Olympiade des Laien-Chorgesangs teilnimmt. Am Ende fahren die jungen Sänger mit dem Diplôme d‘honneur und einem ersten Preis als bester Jugendchor für den Kammerchor zurück in den Harz. Es sollte die erste Auszeichnung von vielen werden.

Die rasante Entwicklung des Ensembles mit bald internationaler Anerkennung mündet in die ersten Spezialklassen für Musikerziehung. Dem Chor wird wegen der zahlreichen, hochwertigen Tonproduktionen 1971 der Ehrentitel „Rundfunk-Jugendchor Wernigerode“ verliehen. Einer von Krells ehemaligen Schützlingen ist der Wernigeröder Rainer Schulze – der singende Buchhändler.

Mit Wolfgang Schaller und Wolfgang Stumph von der Dresdner „Herkuleskeule“ machte Schulze zehn Jahre Programme. „Es war etwas Besonderes, in den Chor aufgenommen zu werden. Ich war 14 Jahre alt und in einer der ersten Klassen, die ausschließlich aus Chorschülern bestand“, berichtet er. „Wir haben unaufhörlich Preise gewonnen und uns gefühlt, als ob wir das Beste sind, was rumläuft.“

Carsten Lange vom Landesmusikrat schreibt, Krell habe dazu beigetragen, „dass sich Chorgesang in Sachsen-Anhalt auf nationalem und internationalem Spitzenniveau bewegen kann“. Der Chorleiter entwickelte sogar eine eigene Art zu dirigieren, heute in der Szene als „Wernigeröder Schule“ bekannt, die von Absolventen des Landesgymnasiums für Musik in die Welt getragen wird.

Nach der politischen Wende erreicht Krell die Eigenständigkeit des Musikgymnasiums und wird Schulleiter. Es etabliert sich 1991 das Landesgymnasium für Musik, dem heute vier Chöre angehören. Zweimal wird seine Amtszeit als Chorleiter um jeweils ein Schuljahr verlängert. Bis zu seiner Rente 1996 hat Krell mit dem Ensemble mehr als 2300 Titel aufgenommen, 26 Langspielplatten und CDs rausgebracht. Den Chor gab er schweren Herzens im selben Jahr an Peter Habermann ab.

Habermann nennt auf die Frage, was er über Friedrich Krell sagen kann, ein Zitat des Jubilars: „Entscheidend ist immer das Ergebnis“, sagt er. Und das könne sich sehen lassen.

Zwar wird es zu Friedrich Krells Geburtstag keinen offiziellen Empfang geben – aber alle, die gratulieren wollen, sind am Sonntag, 12. August, um 11 Uhr in die Liebfrauenkirche nach Wernigerode eingeladen. „Jeder, der mag, kann Professor Krell ein Ständchen singen“, sagt Rainer Schulze. „Kommt vorbei und singt spontan mit.“