1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Paradiesvogel und Lebemann

Naumann-Memoiren Paradiesvogel und Lebemann

Michael Naumann war Journalist, Verleger und Politiker. Jetzt hat der 75-Jährige seine Erinnerungen veröffentlicht.

02.05.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Journalist, Verleger und Kulturminister – Michael Naumann kann auf eine vielseitige und wechselvolle Berufskarriere zurückblicken, die er jetzt unter dem Motto „Glück gehabt – Ein Leben“ in seinen Memoiren noch einmal Revue passieren lässt.

So ganz kann der Titel allerdings nicht stimmen, denn privat und beruflich lief es nicht immer so reibungslos und glücklich beim politischen Quereinsteiger. Offenherzig und nicht ohne kritische Selbstironie, aber auch mit so manchen Spitzen gegen berufliche Wegbegleiter schildert der im Kriegsjahr 1941 in Köthen (Anhalt) geborene und 1953 mit seiner Mutter – der Vater fiel bei Stalingrad – nach Hamburg geflüchtete Naumann sein auffallend unruhiges Leben. Seine „angeborene Sprunghaftigkeit“, wie er es selber nennt, führt zu häufigen beruflichen Wechseln – das Amt als erster Kulturstaatsminister beispielsweise gibt er nach rund zwei Jahren wieder auf.

Er blieb der „nervöse, dem Journalismus verschriebene Mann“. „Ich langweilte mich und langweilte ganz gewiss auch andere“, erinnert sich Naumann an seinen endgültigen Abschied aus der Führungsetage der Wochenzeitung „Die Zeit“. Den neuen Online-Journalismus wollte der „Mann der Bücher“ dann doch lieber der neuen Generation überlassen. „Ein zielstrebiges Leben habe ich nicht geführt“, resümiert Naumann freimütig.

Für seine Mutter war er manchmal auch ein „Wirrkopf“. Aber erlebt hat Michael Naumann in seinen 75 Jahren doch eine ganze Menge, auch nicht ganz untypisch für seine Generation und dann doch auch wieder mit glücklichen Zufällen.

Seine sehr persönlichen Memoiren geben einen „Widerschein der Zeitgeschichte Deutschlands“ nach 1945, wie er es in seinem Nachwort als Hoffnung ausdrückt. Die Erinnerungen dieses belesenen „Paradiesvogels“ und „Lebemanns“, wie Naumann auch genannt wurde, sind ein schillernder Streifzug durch die jüngere deutsche Kultur- und Gesellschaftsgeschichte.

1959 ging Naumann als Austauschschüler nach Amerika, wo er später auch als Verleger arbeitete.

In Manhattan erreichte Naumann im Frühsommer 1998 auch der Ruf in das Wahlkampfteam Gerhard Schröders. Naumann selbst meinte zu der Absicht des SPD-Kanzlerkandidaten, den Verleger und politischen Quereinsteiger ins Kabinett zu holen: „Er hatte offenbar Humor.“

Die erste Wahl für das neu zu schaffende Amt eines Kulturstaatsministers sei zwar Jürgen Flimm gewesen, erinnert sich Naumann, aber der habe „schönere Pläne“ gehabt. Also fiel die Wahl auf den „Lebemann“, der dann sein viertes Berufsleben antreten sollte. So stapfte der Büchernarr Michael Naumann durch „diese Welt ohne Bücher“ von einem Fettnäpfchen ins nächste, wie er sich rückblickend erinnert, doch anfangs gefiel ihm diese „Republik der Wichtigtuer“, wie es eine Journalisten-Kollegin formulierte.

„Wir sind alle Staatsschauspieler“ hatte ihm Altkanzler Helmut Schmidt mal gesagt. „Womöglich ist mir das alles anfangs zu Kopf gestiegen“, räumt Naumann ein.

Warum er sich dann später auch noch überreden ließ, in Hamburg als SPD-Spitzenkandidat zur Bürgermeisterwahl als „Zählkandidat“ anzutreten, wird sein Geheimnis bleiben. Aber politische Niederlagen sind für Naumann „keine Lebenskatastrophen“.

Die Offenheit jedenfalls, mit der Naumann über seinen persönlichen, kulturellen und politischen Lebensweg mit oft bemerkenswerten Einblicken Rechenschaft ablegt, ist erfrischend. Denn eine „Mördergrube“ hat Naumann aus seinem Herzen nie gemacht.

Michael Naumann: „Glück gehabt – Ein Leben“, Hoffmann und Campe, 416 Seiten, 24 Euro.