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Neues Programm Die Unvernunft siegt im Magdeburger Kabarett

„Reißaus, Vernunft!“ heißt das neue Programm im Kabarett „... nach Hengstmanns“ in Magdeburg.

Von Klaus-Peter Voigt 21.09.2018, 23:01

Magdeburg l Ein handfester Streit hat bei den beiden Akteuren als dramaturgisches Mittel für den Programmeinstieg nahezu Tradition. So auch in diesem Jahr. Zwei stehen da vor dem Publikum, die anscheinend einander gar nicht mögen und sich doch so ähnlich sind. Mit pfiffigen Wortspielen und Beleidigungen en masse steigen sie ein, beginnen sich schnell anzunähern und ihre Sicht auf die Welt darzustellen.

Sehr schnell entsteht die gemeinsame Überzeugung: Die Unvernunft ist dabei, einen gewaltigen Siegeszug anzutreten. Zunehmend tritt der Streit in den Hintergrund, das gemeinsame Philosophieren und Nachdenken gewinnt die Oberhand. An Beispielen für den Wahnsinn mangelt es keinesfalls, ganz im Gegenteil.

So entwickeln Goetz und Hengstmann die Idee eines Supermarkts, in dem man sich Politiker ganz nach eigenem Gusto aussuchen kann. Wahlen werden überflüssig und billiger wäre ein solches Verfahren allemal. Da im Regal ein Christian Lindner, dort eine Andrea Nahles. Die Entscheidung fällt schwer. Sonderangebote von rechts und links scheiden aus, da wäre kein Umtausch möglich.

In kürzester Zeit entsteht ein plastisches Bild der deutschen Parteienlandschaft. Nur selten greift das Duo die derzeit Regierenden direkt an. Aussagen, wie „Seehofer ist Innenminister nicht von Gottes, sondern von Merkels Gnaden, gehören zu den Ausnahmen. Ihr Anliegen geht Tendenzen und Entwicklungen, dem realen Irrsinn, den jeder im Alltag erlebt, auf die Spur. Wie wird die Welt eines Tages aussehen? Übernehmen die Rechner die Herrschaft? Warum predigen wir den Ökostrom und naschen an der Braunkohle?

Kabarettistisch und mit einer gehörigen Spur Sarkasmus überhöht entfaltet sich eine Sicht auf die Gesellschaft, die einem das Lachen im Halse stecken bleiben lässt. Goetz bringt es am Beispiel der ungezügelten Digitalisierung auf den Punkt: „Diese Zukunft will ich nicht haben.“

Nein, trotz dieses Pessimismus bleiben die zwei Kabarettisten fröhlich, geben Denkanstöße, üben Kritik, bleiben hoffnungsvoll. Hengstmanns Lied zum allgegenwärtigen Computer lässt ihn, wie an mehreren Stellen im aktuellen Programm, sein musikalisches Talent ausspielen, das lockert auf. Goetz begleitet bei einem Titel gekonnt auf der Mundharmonika. Dieser Wechsel zwischen Dialogen, wenigen Monologen und gesungenen Parts lockert auf, lässt das Publikum mitgehen.

Im zweiten Teil treffen das Machteburjer Orginal Manni Fest (Frank Hengstmann) und Hartmut Götzlein (Bernd Kurt Goetz) aus dem Vogtland aufeinander.

Was sie am Biertisch besprechen, das hat Tiefe, auch wenn es mitunter nahezu eine sehr vereinfachte Gedankenwelt ins Spiel bringt. Der Zuschauer bekommt keine fertigen Lösungen, eher Anregungen zum Nachdenken. Und stets aufs Neue spürt man, wie die Vernunft Reißaus nimmt, wo sich Dinge in die falsche Richtung entwickeln. Da erklingt plötzlich „Im schönsten Wiesengrunde“, eine Reminiszenz an die gute alte Zeit. Das Heute zeigt sich dagegen konfus, man sagt ja zum Eigenheim, aber nein zur Heimat.

Goetz und Hengstmann sind sich einig: die Krakeeler gehen bei Protesten auf der Straße immer vornweg, die braven Bürger bevorzugen die zweite und dritte Reihe.