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Oper Aida-Aufführung in Magdeburg polarisiert

Vielen gilt „Aida“ von Giuseppe Verdi als die Oper schlechthin. Die Inszenierung am Magdeburger Opernhaus polarisiert.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 22.10.2017, 23:01

Magdeburg l Oliver Mears, Operndirektor des Royal Opera House Covent Garden in London, zeigt sich von „Aida“-Vorbildern völlig unbeeindruckt. Er inszeniert am Magdeburger Opernhaus das Stück - übrigens das erste Mal auf dem europäischem Kontinent - recht eigenwillig und erntet dafür viel Applaus, aber auch Buh-Rufe.

Diese Inszenierung polarisiert, denn Oliver Mears löst sich nicht vom ägyptischen Hintergrund der Oper, wirft allerdings zumindest im ersten Teil vieles an exotischer Romantik des Pharaonenreiches über Bord. Was bleibt, ist Machtstreben, Krieg, Erpressung, Gewalt, Lüge und Liebe.

Die jüngere Geschichte der Menschheit ist die Geschichte von Kriegen. Insofern ist der Inszenierungsansatz durchaus logisch und nachvollziehbar, stößt aber nicht überall auf Begeisterung. Dem Briten ist die Verklärung der Macht- und Lebensverhältnisse, wie sie sich in zahllosen Inszenierungen von Verdis „Aida“ an vermutlich allen Opernhäusern der Welt manifestiert hat, offenbar zuwider. Und wenn alle Opernfreunde ungeduldig auf den grandiosen Triumphmarsch nach dem Sieg der Ägypter über die Äthiopier warten, macht Oliver Mears ihn zu einer Machtparade, wie man sie von Diktaturen während der Nazi-Herrschaft ebenso kennt, wie in der DDR und bis heute in Moskau oder Peking.

Aus dem Triumphmarsch wird das, was er tatsächlich ist - eine Groteske. Das erinnert stellenweise verblüffend an Monty Python, eine britische Komikergruppe aus den 1970er Jahren. Da exerzieren schon mal Kindersoldaten mit Panzerfäusten, das Modell einer Atombombe rollt über die Bühne, Mädchen führen akrobatische Übungen wie beim Turn- und Sportfest aus oder Fässer mit Chemiekampfstoffen werden von Soldaten in Phantasieuniformen bewegt.

Radames, der siegreiche Feldherr, der die ägyptische Königstochter heiraten soll, aber deren Sklavin und geheime äthiopische Königstochter liebt, erhält einen Marschallsstab, der fatal an die Zeit der Naziherrschaft erinnert.

Doch das alles kann der genialen Verdischen Musik nichts anhaben. Die wichtigen Rollen der Sängerinnen und Sänger sind hervorragend besetzt. Allen voran besticht die kroatische Sopranistin Kristina Kolar, die in der Titelrolle der Aida ihr Debüt in Magdeburg feiert, mit einer glasklaren und äußerst kraftvollen stimmlichen Präsenz, die das Publikum regelmäßig zu Szenenapplaus hinreißt. Sie überzeugt darüber hinaus auch durch die darstellerische Leistung und die einfühlsamen Passagen der leisen Töne.

Kristina Kolar ist eine wunderbare Entdeckung für das Magdeburger Opernhaus. Das gilt auch für Marc Heller, dem US-amerikanischen Tenor in der Rolle des Radames. Er ist an allen großen Opernhäusern von New York bis Moskau zu Hause, war zuletzt als Radames bei einer Live-Übertragung an den Pyramiden von Gizeh der Royal Albert Hall in London präsent. Vor gut zehn Jahren gab er sein Debüt an der Seite von Placido Domingo in der New Yorker Met, nun vor einem begeisterten Publikum in Magdeburg.

Diese Sänger der Sonderklasse motivieren auch die Künstler des Opernensembles zu Höchstleistungen, wie den Bass Paul Sketris als König, die Mezzosopranistin Lucia Cervoni als Amneris, den Bass und Liebling des Magdeburger Publikums Johannes Stermann als Priester Ramphis oder als Gast des Ensembles den Bariton Lucian Petrean in der Rolle des Amonasro als König von Äthopien und Aidas Vater.

Sie alle brillieren vor allem im zweiten Teil des Opernabends, der als die großartige Synthese Verdis der italienischen Oper mit ihren Singstimmen und Belcanto-Gesängen mit der musikdramatischen Ausprägung der französischen Oper gilt.

Hier hat der britische Regisseur völlig auf inhaltliche Interpretationen verzichtet und eine emotional höchst anspruchsvolle, ergreifende und dramatische Szenerie geschaffen. Die war ganz dicht am klassischen Libretto und versöhnte offenbar die Zuschauer, die ihre vorgeprägten Erwartungen erfüllt sehen wollten.

Verdi ohne große Choreinsätze ist undenkbar. Der Opernchor des Theaters Magdeburg unter der Leitung von Martin Wagner ist eine Klasse für sich. In der „Aida“ beweisen das die Chormitglieder, die auch sehr viele darstellerische Aufgaben höchst professionell erledigen, erneut. Vor allem im Zusammenspiel mit den Solisten gibt es eine sehr sensible Abstimmung.

Das gilt übrigens auch für Svetoslav Borisov, 1. Kapellmeister am Theater Magdeburg, der als musikalischer Leiter den Taktstock schwingt und die Musiker der Magdeburgischen Philharmonie sowohl in den großen pathetischen Märschen mit Fanfarenklang, als auch in den ganz behutsam-leisen Tönen der Arien und Duette höchst einfühlsam führt.

Verdis „Aida“ am Magdeburger Opernhaus kann sich in der sängerischen Qualität wie in der modernen Inszenierung national und international mit vielen Häusern messen. Diese „Aida“, übrigens eine Koproduktion mit der Northern Irland Opera, erfüllt höchste künstlerische Ansprüche.