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Oper Ein Schlückchen in Ehren

Donizettis Liebestrank kreist um Geld, Erfolg, Macht und Liebe. Rebekka Stanzel hat die Oper in zwei Akten für das Harztheater inszeniert.

Von Joachim Lange 11.11.2018, 23:01

Quedlinburg l „Das Leben ist zu kurz für Nebensächlichkeiten“ – dieser Spruch ziert am Ende eine Pergola in der Wellness-Anlage, in der in Quedlinburg der Liebestrank unters Volk gebracht wird. Im Großen und Ganze stimmt der Spruch ja. Aber für einen Schluck aus dem Fläschchen mit dem „L‘elisir d’amore“ sollte man sich als Theater und als Zuschauer ab und an mal die Zeit nehmen. Auch wenn es bei Gaetano Donizettis (1797–1848) Zweiakter mal nicht um ein Hauptwerk der Operngeschichte geht, dessen Akteure sich wirklich tiefenpsychologisch zerlegen lassen.

Der schnell und auf Masse komponierende Verdi-Vorläufer, der seinen Durchbruch erst mit seiner 35. Oper („Anna Bolena“) hatte, komponierte den „Liebestrank“ 1832 zwar in nur 14 Tagen, lieferte damit aber – quasi im Vorübergehen – ein Beispiel von Wohlfühlmusik zum Zurücklehnen. Aus der heiteren Abteilung seines umfangreichen Schaffens hat sie neben „Don Pasquale“ und der „Regimentstochter“ jedenfalls im Repertoire überlebt. Für die Sänger immer eine gute Übung, um die Gurgel fürs Belcanto geschmeidig zu halten. Und, um beim Parlandogalopp, der bei Donizetti fast so zungenbrecherisch ist wie bei seinem Kollegen Rossini, nicht aus dem Tritt zu kommen.

Was die Protagonisten der Neuinszenierung des Nordharzer Städtebundtheaters, die jetzt in Quedlinburg Premiere hatte, mit spürbarem Spaß an der Sache überzeugend hinbekommen. Wenn Adina den hoffnungslos in sie verliebten Nemorino so an der Nase herumführt, dass der sich auf das absurde Versprechen des Scharlatans Doktor Dulcamare einlässt und ein Vermögen für den angeblich Wunder bei der Angebeteten bewirkenden, ominösen Liebestrank ausgibt. Im Unterschied zum Publikum sieht er nicht, dass der nur das Etikett von einer ganz normalen Weinflasche entfernt. Dass der dann glaubt, dass der Saft bei allen anderen Frauen wirkt, liegt freilich daran, dass die schon vor ihm von seiner Millionenerbschaft erfahren haben.

Donizetti hat in seinen vielen Opern oft puren Wahnsinn und blutrünstige Mordlust vertont. Der „Liebestrank“ ist aber ein Schmankerl, erlaubt schmerzfreies Amüsement, an dem man sich auch dramaturgisch kaum überheben kann. Hier wird kein Tropfen Blut vergossen, höchstens ein Tröpfchen Wein verschüttet. Aber im Grunde ist auch das Happy-End (sie kriegen sich, weil sie sich mögen und hätten sich das eigentlich nur sagen müssen) von Anfang an glasklar und unausweichlich.

Regisseurin Rebekka Stanzel und ihre Ausstatterin Andrea Kaempf verlegen das Ganze in die Gegenwart, in ein Sanatorium für die Selbstoptimierung mit Wellness-Bereich und Bespaßungsanimator. Jedenfalls haben alle hier ein straffes Fitnessprogramm zu absolvieren. Mit medizinischer Dauerüberwachung und tolerierten persönlichen Bekleidungsvorlieben.

Der von Joan Rozehnal vokal und spielerisch gut trainierte Chor des Hauses ist so zwischen Alt-Hippie und „Lustige Weiber von Windsor“ ausstaffiert. Der Quacksalber Dulcamare (vor allem im Parlando flink: Gijs Nijkamp) kommt im blütenweißen Anzug, mit schwarzgefärbter Lockenpracht und Zauberkoffer daher. Mit ganz speziellen „Sonderangeboten“. Wie auf einer Butterfahrt. Im Stück ist er der Vorwand für Donizetti, um seinen musikalisch komödiantischen Apparat anzuwerfen und einen Opernabend lang in Schwung zu halten. Das funktioniert auch in der Parallelität zu heute ganz gut. Wenn sich Nemorino das Geld für eine zweite Dosis des Wundermittels beschaffen will und von seinem Rivalen Belcore (mit solider Machogeste: Juha Kosekela) als Soldat „anwerben“ lässt, um zu den Finanzen zu kommen, muss man sich hier halt statt des Militärs irgendeinen Drückerjob für schnelles Geld denken.

Kari Kropsu macht sich am Pult des Orchesters so flott und leichtfüßig zum Anwalt von Donizettis durchweg gut unterhaltender und mitreißender Musik, als würde er gleich noch Rossini mitliefern. Dabei lässt er den Tenor Man An als Nemorino drauflosschmettern oder schmachten und Bénédicte Hilbert als seine Adina mit kultivierter Frische losträllern, dass es eine Freude ist.

Nach diesem Kurz-Aufenthalt im Opernsanatorium verlässt man das Theater in heiterer Stimmung. Auch ohne den Schampus, den sie sich auf der Bühne zum lieto fine genehmigen.

Nächste Vorstellungen: 24. November, 16. und 25. Dezember in Halberstadt und am 7. Dezember in Quedlinburg.