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Oper Kein Schenkelklopferhumor

„Der Barbier von Sevilla" am Nordharzer Städtebundtheater ist eine Kooperation mit dem Theater Vorpommern. Regie führt Susanne Knapp.

Von Grit Warnat 23.12.2016, 00:01

Volksstimme: Frau Knapp, eine Inszenierung – zwei Häuser. Vor welcher Herausforderung standen Sie?

Susanne Knapp: Vor einer großen Herausforderung. Ich habe hier am Haus schon einmal „Figaros Hochzeit“ inszeniert, eine Produktion, die dann nach Neustrelitz gegangen ist. Ich hatte damals nicht damit gerechnet, wie schwer es ist, die gleiche Inszenierung mit anderen Menschen noch einmal auf die Bühne zu bringen. Aber ich habe mittlerweile Erfahrung darin und weiß, was diese Aufgabe an Herausforderungen mit sich bringt.

Man meint, es ist weniger Arbeit.

Man denkt das, weil das Bühnenbild existiert und die Kostüme. Aber es muss noch viel Arbeitszeit investiert werden, nicht nur, um alles anzupassen.

Wie können Sie neue Akzente setzen?

Ich habe mich noch einmal ganz intensiv mit meiner Stralsunder Inszenierung beschäftigt. Anderthalb Jahre sind schon ein Zeitraum, der mir die Möglichkeit gibt, loszulassen und die eigene Arbeit kritisch zu betrachten, auch zu hinterfragen. Ich habe die Inszenierung deutlich überarbeitet, und für das Halberstädter Team auch ganz neue Ideen gefunden. Wenn ich versucht hätte, die Szenen und Situationen mit den Sängern hier zu reproduzieren, hätte ich viele Chancen verloren. Weite Stellen der Oper entsprechen natürlich meiner Grundidee, aber es ist eine andere Inszenierung geworden.

In Stralsund gab es die Oper auf Italienisch, hier am Haus auf Deutsch. Warum?

Die Originalversion bietet sich an, weil sie sehr schön klingt und gut singbar ist. In Stralsund war das ein Wagnis, zumal das Publikum auch dort gewohnt ist, Oper in der Übersetzung zu hören. Wie hier in Halberstadt und vielen anderen kleinen Theatern hat es Tradition, die Werke in der Übersetzung zu bringen. Verdis „Rigoletto“ im vergangenen Jahr hier am Haus haben wir in der Originalsprache gemacht. Ich denke, dass das sehr gut aufgegangen ist. Bei Rossini, wo viele Rezitative vorkommen, wird der Zuschauer dankbar sein, dass er den Text auf Anhieb verstehen kann.

Ist „Der Barbier von Sevilla“ bei Ihnen eine fröhliche Maskerade?

Fröhlich auf jeden Fall. Maskerade nein, auch wenn sie Thema des Stückes ist. Die Oper ist sehr authentisch. Die Menschen maskieren sich nicht, sie sehen nur ziemlich schräg aus. Die Figuren agieren aus dem Bauch und einem ganz natürlichen Impuls heraus. Es ist der Versuch, jemand anderes zu sein, der Versuch misslingt aber auch permanent. Viel entscheidender ist, den ganz realen menschlichen inneren Impuls und Trieb zu überhöhen. Die Menschen werden da sehr glaubwürdig.

Behalten Sie den Witz der Oper bei?

Das hoffe ich. Komik umzusetzen, ist mit am schwersten. Wir überhöhen sehr. Zudem komponierte Rossini Komik punktgenau. Es ist kein derber Schenkelklopferhumor, es ist ein ironisches Stück, sehr spitzfindig. Und manchmal ist die Komik auch zum Weinen. Das gefällt mir. Die Sänger wiederum bringen Humor und Erfahrung mit – auf den Proben haben wir gemeinsam unendlich viele Ideen entwickelt, die gar nicht alle ins Stück passen.

Was überhöhen Sie?

Zum Beispiel die Optik. Die Figuren haben ganz weiße Kostüme – stilistisch ein Zeitenmix aus Rokoko und Moderne. Dazu gibt es extrem farbige Perücken. Den Fokus legen wir auf die Frisuren, weil Figaro ein Barbier ist. Und wir haben einen Raum, der surreale Ebenen zulässt.

Die Oper ist 200 Jahre alt. Sie hat nichts von ihrer großen Beliebtheit eingebüßt. Warum ist sie so beliebt?

Rossini war ein großartiger theatraler Komponist und ein unglaublich scharfer Beobachter von Menschen. Sie sind bei ihm nie plakativ, und er gibt ihnen trotz der Missstände, die sie umgeben, so viel Positives mit, dass man sie mögen muss. Das Publikum kann in Beziehung gehen mit der Musik und den Figuren. Das ist eine Kunst, die Rossini beherrscht. Selbst den Figuren auf der Bühne geht es so, dass sie sich dem Sog des Orchesters nicht entziehen können. In der „Maschinenmusik“ wird das auf die Spitze getrieben.

Premiere ist am 25. Dezember in Quedlinburg.