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OperPremiere von Verdis "Maskenball"

Das Nordharzer Städtebundtheater feierte mit "Ein Maskenball" Premiere im Großen Haus Quedlinburg.

Von Hans Walter 12.11.2017, 23:01

Quedlinburg l Giuseppe Verdi hatte mit seiner Oper „Der Maskenball“ ziemliche Widerwärtigkeiten mit der Zensur. Ursprünglich war sein Stoff die Ermordung des kunstsinnigen Königs Gustav III. von Schweden, des Neffen des Preußenkönigs Friedrich des Großen, 1792 bei einem Maskenball im Stockholmer Opernhaus. Aber Königsmord – lag er auch fast ein Menschenalter zurück – war 1859 nicht opportun. Der Dichter und Advokat Antonio Somma schrieb das Libretto nach dem Drama „Gustave III. ou le Bal masqué“ von Eugéne Scribe. Um den Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde zu entgehen, wurde aus dem Schwedenkönig der englische Gouverneur Graf Riccardo von Warwick in Boston; aus dem Mörder Hauptmann Anckarström der Freund und Offizier Renato. Die Handlung wurde gut 50 Jahren zurückverlegt.

Lange Jahre wurde in Deutschland die „überseeische“ Fassung gespielt, bis sich 1927 die Schweden-Version durchsetzte. Zwischen der Monumentalaufführung 1999/2000 auf der Bregenzer Seebühne – ein aufgeschlagenes Buch des Lebens mit choreographierten Tanzschritten, eine riesige Krone und das Gerippe Gevatter Tods und einer Stadttheateraufführung aber liegen Welten!

Regisseur Werner Pichler entschied sich wohlüberlegt für die intimere Boston-Fassung der Oper. Die Musik aber blieb dieselbe. Seine Ausstatterin Andrea Kaempf baute ihm eine auf das Wesentlichste reduzierte, ebenerdige Bühnenlandschaft. Keine Showtreppe oder Podest, kein Sessel oder Stuhl, kaum ein Möbel. Eine Fantasie in Rot und Weiß. Symbolische Farbigkeit in einem Drama um Liebe, Freundestreue, Eifersucht und Mord.

Ein roter Strick wurde zum durchgehenden Bildmotiv. Als Fessel, als magischer Bannkreis, als unentwirrbarer Knoten, als Fundort einer geheimnisvollen Blume, als mörderischer Strick. Diese Reduktion führte zum genauen Hinschauen auf das Spiel der Akteure und zum Hinhören auf ihren Gesang. Eine große Verdi-Oper als Kammerspiel, mit voller Konzentration auf die Gefühle, Motive, menschlichen Leidenschaften, auf die inneren und äußeren Konflikte. Gesungen wurde in der italienischen Originalsprache. Ergreifend schön. Allein schon das ist eine Heidenarbeit, im harten, fordernden Tourneealltag bei sehr kurzen Probenzeiten die Oper in Italienisch zu studieren.

Das Triumvirat Annabelle Pichler (die dramatische Sopranistin als Amelia), der Heldentenor Max An (Riccardo) und der Bariton Juha Koskela (Renato) erfährt latente Bedrohung durch die Verschwörer Samuel (der Bass Norbert Zilz) und Tom (der Bass Gijs Nijkamp). Arien, Duette, Ensembles und Chorszenen enthüllen die feinsten Seelenregungen aller Protagonisten. Fast jede Piece wurde mit Szenenapplaus belohnt. Ebenso die hochdramatische Wahrsagerin Ulrica (Kammersängerin Gerlind Schröder) und Oscar, der Page des Gouverneurs (die Koloratursopranistin Bénédicte Hilbert). Ein Fest glänzend aufgelegter großer Stimmen.

Der erste Kapellmeister Kari Kropsu stand am Pult. Förmlich strahlend war der transparente Orchesterklang im Aufleuchten der Gesangsmotive schon vom Vorspiel an. Ein traumhaft schönes Auskosten der Partitur, ein zartes Modellieren von Klängen. Er ließ die Instrumente gleichermaßen wie die Solisten und den von Jan Rozehnal bestens studierten Chor sensibel hervortreten. Zu den Höhepunkten gehört der Eingangschor der Gegner und Anhänger des Gouverneurs und das große Liebesduett Amelia/Riccardo im zweiten Akt. Zu Recht steht Amelia mit ihrer verwundeten Seele bei Pichler im Mittelpunkt. Ihre todessüchtige Arie und die schmerzensvolle Anklage Renatos im dritten Akt sind weitere Höhepunkte.

Dann hebt der Maskenball an, prächtig kostümiert von Andrea Kaempf. Am Ende verzeiht der sterbende Riccardo seinem Mörder Renato mit einer Kantilene voll überirdisch schwebenden Wohllauts. Was für eine dramatische Wucht und welche Missverständnisse! Diese Tragik geht zu Herzen! Langer Applaus für die großartige Inszenierung – die Werkstätten, Ankleider, die Technik und die musikalischen Assistenten eingeschlossen.

Die nächsten Vorstellungen: Am 19. November, 8. und 26. Dezember in Halberstadt; am 26. November in Quedlinburg.