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Oper Zwischen Komik und Tragik

Aron Stiehl führt für die Oper „Damon“ des Magdeburger Komponisten Georg Philipp Telemann Regie. Grit Warnat sprach mit ihm darüber.

12.02.2016, 23:01

Stimmt es, dass es einst moralische Diskussionen um das Werk gab?

Vielleicht nicht um dieses Stück im Speziellen, aber die Pfarrer in Hamburg haben von der Kanzel gepredigt, dass die Menschen nicht in die Oper gehen sollten, weil das zu anzüglich und zu gefährlich sei.

Was ist so unanständig an dem Stoff?

Es geht um Lüsternheit, Liebe, Eifersucht. Am Ende steht das Bacchusfest, eine Orgie voller Sex. Im Mittelpunkt steht ein Satyr, ein Wesen, das halb Mensch, halb Tier ist, und meist mit einem Phallus dargestellt wird. Er will mit allen Damen Sex haben. Das war damals eine völlig ungewöhnliche Figur auf der Bühne.

Sie arbeiten mit vollbusigen Puppen vom Puppentheater Magdeburg. Warum?

Wir nutzen sie als Stilisierung für die zahlreichen Verkleidungsspiele im Stück, aber auch für die Verführungs- und Sexszenen. Die Doppelebene unterstreicht die Komik dieser Situationen. Ich habe einmal eine Aufführung gesehen, für die das Theater zwei Pornodarsteller engagiert hatte, um eine Sexszene auf der Bühne darzustellen. Solchen Realismus auf der Bühne finde ich eher peinlich und befremdlich.

Sie sollen einen Panzer auf der Bühne haben?

Damon fällt in Arkadien ein und führt formal Krieg. Er ist ein Soldat, der den Arkadiern mit Gewalt droht, Macht und Zerstörung toll findet. Er singt: Ich zünde diese Welt wie Schwefel an. Damons Refugium auf der Bühne ist ein Panzer, der gleichzeitig auch ein Boudoir ist, wo Damon die Nymphen verführen will.

Sie deuten die heutige Zeit an?

Unbedingt. Als „Damon“ 1996 hier das letzte Mal aufgeführt wurde, gab es barocke Kostüme und barocke Tänze. So kann man diese Oper machen. Aber dann ist sie weit weg von uns. Wir wollen sie in sehr verspielter Form in eine heutige Welt bringen. „Damon“ ist eine Verwechslungskomödie, ein bisschen wie „Charleys Tante“. Wir werden die Komik nicht zerstören, auch nicht die Ernsthaftigkeit.

Wie sehen Sie die Titelfigur Damon?

Arkadien ist ein Paradies, aber es wird gestritten, es gibt jede Menge Spannungen. Dann kommt Damon, ein Fremdkörper, der sich verhält wie Falstaff oder Ochs im „Rosenkavalier“: ein Elefant im Porzellanladen. Die Gesellschaft reibt sich an solchen Figuren, aber sie geben ihr eben auch eine neue Farbe. Und wenn sie zum Schluss gehen, ist die Welt wieder ein bisschen grauer. Auch Damon kann durchaus ein Gewinn sein. Er ist nicht nur ein böser Mensch.

Hat Telemann Damon eine besondere Musik zugeschrieben?

Damon singt von Feuer, Schwefel, Bränden. Dargestellt wird damit die sexuelle Komponente, aber andererseits auch die kriegerische. Telemann schreibt für ihn virtuose Arien mit einigen ungelenken Sprüngen und Koloraturen, die Damons ungehobelten Charakter unterstreichen.

Was, meinen Sie, hat Telemann bewogen, dieses Thema aufzugreifen?

Er wollte, dass die Leute Spaß haben im Theater. Das bedeutet ja nicht nur, dass sie lachen, sondern dass sie bewegt werden. Wenn das Spiel auf der Bühne nur lustig und komisch ist, dann gibt es keine Fallhöhe. Sex, Invasion, Verwechslungsspiele, es ist schwierig, in dem Stück die Balance zwischen Komik und Tragik zu halten. Aber Telemann schafft es, mit diesen Ebenen virtuos zu jonglieren.

Das Theater arbeitet mit der französischen Opera Fuoco zusammen. Wie wichtig ist es für die Inszenierung, dass auf historischen Instrumenten gespielt wird?

Wir versuchen zu erforschen, wie es damals geklungen haben könnte. Historische Instrumente klingen nicht so brillant und strahlkräftig wie moderne. Eine Geige mit Darmsaiten klingt anders als eine mit Stahlsaiten, viel wärmer. Gerade im Zuge der Telemann-Tage sollten wir versuchen, zum Originalklang zurückzukehren.

Was verändern Sie?

Wir spielen mit der Oper, so wie auch Telemann einst mit seinem eigenen Werk gespielt hat. Natürlich nehmen wir den Urtext zur Basis. Aber „Damon“ ging vier Stunden, wir haben die Oper auf rund zweieinhalb Stunden gekürzt. Ich finde, länger sollte eine komische Oper nicht dauern. So haben wir das Werk konzentriert und entschlackt und die teilweise etwas obskure Handlung vielleicht auch etwas verständlicher gemacht.