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Operettensommer Herz, Schmerz und Trallala

Mit dem „Schwarzwaldmädel“ hat die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie auf dem Bierer Berg gezeigt, dass die Operette lebt.

Von Klaus-Peter Voigt 25.06.2017, 23:01

Schönebeck l Das Bärbele bekommt auf Umwegen seinen Traumprinzen. Und so gibt es natürlich ein Happy End beim 21. Schönebecker Operettensommer. Nach wie vor zieht der sein Publikum an. Herz, Schmerz und Trallala haben dort Hochkonjunktur.

Eher selten gespielt feiert das „Schwarzwaldmädel“ im August ein Jubiläum. Vor 100 Jahren erlebte das Stück mit der Musik von Leon Jessel seine Uraufführung in der Komischen Oper in Berlin seine Premiere. Der Weg dorthin war steinig, denn von dem Wiener August Neidhart geschrieben, fand sich erst nach einiger Suche ein Komponist, der das Libretto umsetzte. Bis zum Verbot der Aufführung 1933 durch die Nationalsozialisten, Jessel war jüdischer Abstammung, wurde die Operette mehr als 6000 Mal gezeigt. Sie gilt als Singspiel. Für Regisseurin Katharina Kutil eine Herausforderung, die auf die Urfassung zurückgriff und diese bearbeitete. Ihr Ziel, ein wenig vom Staub der Zeit herunterzublasen, scheint gelungen, auch dank der absolut stimmigen Ausstattung von Toto.

Der Magdeburger Künstler passt auf einer Naturbühne eine Scheinnatur ein, die auf prächtige Ballräume wie in anderen Operetten verzichtet. Er überspitzt, bezieht Elemente des aktuellen Schwarzwaldmarketings ein, das auf Selbstironie setzt, und holte damit das „Mädel“ fast unbemerkt ein Stückweit in die Gegenwart.

Hasen bevölkern neben anderem Getier die Bühne ebenso wie der Schwarzwaldi, ein Dackel, der heute für die Region steht, mal mit Bollen-, mal mit einem klassischen Herrenhut. Eine vergnügliche Parodie entsteht, die sich durch die gesamte Inszenierung zieht.

Kutil erzählt die Geschichte mit ihren Ohrwürmern wie „Mädle aus dem schwarzen Wald“ und „Malwine, ach Malwine“ unaufgeregt und mit Spaß. Das Ensemble auf Zeit gibt sich homogen. Der alternde Domkapellmeister Blasius Römer, brillant und glaubhaft gespielt von Alexander Klinger, hat das Nachsehen, wenn es um die Gunst seines Mündels Bärbele geht.

Die junge Sopranistin Christina Heuel zeigt in dieser Rolle frisch, agiert ungekünstelt mit klarer Stimme. Überhaupt, auch die anderen beiden noch nicht lange dem Studium entwachsenen Daysel Rodríguez als Lorle und Sophia Revilla als Hannele, die Tochter von Blasius, stehen dem keinesfalls nach. Deren jugendliche Ausstrahlung prägt die Inszenierung. Jürgen, Wirt des „Blauen Ochsen“ (Jörg Sändig) spricht mit bestem schwäbischem Dialekt, der leider nur noch bei Blasius zu hören ist, und beweist sein komödiantisches Talent.

Die Tanzcompagnie, in der Choreographie von Evren Pekgelegen, ist ständig präsent und sorgt für die passende Schwarzwaldatmosphäre. Zu einem der Höhepunkte gehört der gemeinsame Tanz von Bärbele mit seinem Schatten (Lauren Slater-Klein).

Mit alemanischen Fasnachtsmasken bringt das Ballett einen furiosen Auftakt des zweiten Akts, bei dem der Teufel mit den Hexen im wilden Wirbel die Bühne beherrscht. Für die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie unter Gerard Oskamp eine bestens gemeisterte Herausforderung, dies zu begleiten.

Sophia Revilla sorgt für Begeisterung, wenn in die Inszenierung ein Versatzstück aus der „West side story“ auftaucht. Das „I feel pretty“ fügt sich fast harmonisch ein, lässt das Augenzwinkern der Produktion deutlich werden.

Operette klassisch, die auf frische Ideen setzt. Das zahlt sich aus, sorgte beim Premierenpublikum für reichlich Beifall und Bravorufe. Unterhaltsam ist es für die Liebhaber des Genres ohne Zweifel.