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Premiere Weltreise in einem Hotel

Tabea und Tobias Wollner haben ihr aktuelles Programm im fiktiven Hotel Solitaire angesiedelt. Sie spielen in der Magdeburger Feuerwache.

Von Klaus-Peter Voigt 19.08.2016, 23:01

Magdeburg l Nomen est omen. Wer sich auf eine Weltreise besonderer Art einlassen will, muss das Wort ‚Solitär‘ nahezu wörtlich nehmen: Einzelstück, etwas Besonderes. Nur wenige Vorstellungen weist der Spielplan bis zum Ende des Monats aus. Um es vorweg zu sagen: Das ist bedauerlich. Der Abend ist ein großer Wurf. Eine flott und raffiniert erzählte Geschichte fesselt von der ersten Sekunde an.

Mit dem „Trio de Valises“ – Viktoria Malkowski, Susanne Hofmann und Magdalena Engel – haben sich Wollners zudem erstmals eine Damenriege an ihre Seite geholt, die mit ihren Streichinstrumenten den Gesamteindruck abrunden, musikalisch neue Farben ins Spiel bringen, helfen, das Flair des hochnoblen Hotels erlebbar zu machen.

Annähernd 100 Jahre Geschichte kommen auf die Bühne. Im Plauderton erlebt der Zuschauer den Wandel in Hotels, bei musikalischen Geschmäckern, im Umgang der Menschen. Stets präsent ist Tabea als schrulliger Gast. Skurrile Wünsche, merkwürdige Ansichten prägen die Auftritte. Tobias Wollner bemüht sich als aufmerksamer Concierge, Wünsche zu erfüllen.

Sparsamste Ausstattung verlangt förmlich nach einer Konzentration auf das Wichtigste. An der Rezeption eine klassische Hotelglocke, ein Koffer in der Hand, das genügt. Ehe man sich versieht, hat die Reise durch die Welt und durch die Zeit begonnen. Aha-Effekt am laufenden Band, gerade noch geht es im Gespräch um Elektroautos, schon treffen Flüchtlinge in einem Solitär in der Zeit des ersten Weltkriegs ein. Diese plötzlichen Wechsel erweisen sich als Spannungspunkte, lassen die Zuschauer hellwach bleiben.

Musikalisch setzen Wollners auf ein Feuerwerk unterschiedlicher Eindrücke. Led Zeppelin stehen auf der Treppe zum Himmel, und ihre Rockballade von 1971 wird zu einem der starken Momente des Abends.

Tabea Wollner hat ihre Stärken in völlig eigenen Interpretationen solcher Titel. Da sitzt jede Geste, die Stimme sucht ihren ganz besonderen Weg, erscheint unverwechselbar. Dazu kommen die unterschiedlichsten Instrumente wie Bongos, Mundharmonika und Ukulele, selbst eine Tröte reiht sich bei „Highway to hell“ von AC/DC ein.

Es reihen sich Titel, die Tabea und Tobias offerieren, aneinander, die nur scheinbar schwer in ein Programm passen. Am Piano singt Tobias in Begleitung der Streicher einfühlsam den „Feen­tanz“. Der „Kimono aus Tokio“ von Arite Mann kommt – wundervoll von Tabea dargeboten – zu neuen Ehren, Alexandras „Zigeunerjunge“ ist zu hören, und der Tango „Por una Cabessa“ macht die Illusion von einem Luxushotel komplett.

Kein lauter, eher ein nachdenklicher Abend, der von einer geschlossenen Leistung aller Akteure profitiert. Witzige Wortspiele und pfiffige Dialoge schaffen Atmosphäre, verbinden die einzelnen Szenen, ohne auch nur in die Nähe von Klamauk zu geraten. Ein Kompliment auch für die Beherrschung der Noten, alle Stücke kamen unter Verzicht auf das geschriebene Arrangement zu Gehör. Das Publikum quittierte mehrfach mit Szenenapplaus, sparte nicht mit Bravorufen. Die zwei Tage im Hotel Solitär jedenfalls vergingen wie im Fluge.

Weitere Vorstellungen: 20. und 21. August sowie vom 24. bis 28. August, 20 Uhr, sonntags 17 Uhr.