1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Die Welt eines Kindes

Puppentheater Die Welt eines Kindes

„Die zweite Prinzessin“ ist ein starkes Stück am Puppentheater Magdeburg. Thema: Neid unter Geschwistern. Umsetzung: entzückend.

Von Claudia Klupsch 15.02.2016, 23:01

Magdeburg  Kleine und große Zuschauer feierten am Sonntag die Premiere des Stücks „Die zweite Prinzessin“ mit der glänzend aufgelegten Puppenspielerin Freda Winter. Der Text stammt von Kinderbuchautorin Gertrud Pigor, die das Stück nach einer englischen Bildergeschichte verfasste.

Die Inszenierung am Magdeburger Puppentheater unter der Regie von Frank Bernhardt überlässt es Freda Winter, leibhaftig die zweite Prinzessin zu spielen und die weiteren Rollen durch Puppen-Kollegen darzustellen. Ein herrliches Zusammenspiel von Mensch und Puppen gelingt, kindgerecht, fantasievoll, augenzwinkernd.

Die aus Sicht der zweiten Prinzessin analysierte familiäre Lage: Die große Schwester darf alles! Ich nichts! Die erste Prinzessin darf mit Mama Königin und Papa König dem Volke huldvoll zuwinken. Ich nicht! Sie darf mit zum Schwimmen gehen. Ich nicht! Sie darf länger aufbleiben. Ich muss sofort nach dem Sandmann ins Bett! Sie kriegt neue rosa Schuhe. Ich nicht!

„Alles fies und gemein - Ich will die Erste sein!“, singt die kleine Prinzessin, so laut und schief, wie es Kinder schaffen zu intonieren. All ihren Frust legt sie ins musikalisch vorgebrachte Statement. Fehlt nur noch, dass Puppenspielerin Freda Winter mit dem Fuß aufstampft, um klarzumachen, wie ungerecht es in der Welt der zweiten Prinzessin zugeht. Sie spielt das fünfjährige Kind mit einer zu Herzen gehenden Natürlichkeit. Schmollmund, Zornesfalte und gnatzend vorgetragene Unmutsäußerungen – alles schon bei den lieben Kleinen gesehen. Freda Winter stellt ihre schauspielerische Klasse unter Beweis, zeigt das so gar nicht brave Prinzesschen, sondern den kleinen Satansbraten, dem jedes Mittel recht ist, die große Schwester zu „entsorgen“. Doch nie kommt Abneigung auf. Dieses Kind ist überaus sympathisch.

Die Handpuppen von Frank Alexander Engel sind allesamt drollig und charakterstark - ob Prinzessin Nummer 1 mit pikiertem Gesichtsausdruck sowie König und Königin mit Stupsnäschen.

Böse Gestalten der Märchenwelt verlieren ihren Schrecken. Der böse Wolf, den die zweite Prinzessin dazu anstiftet, die Schwester zu fressen, kommt als gegen Pfunde ankämpfendes Dickerchen daher. Er lehnt das Mahl dankend ab, denn von süßen Prinzessinnen bekommt er Ausschlag und Migräne. Die Hexe, die die Schwester in der Schrumpfsuppe minimieren soll, ist ein schmaläugiges Eierkopfwesen in Küchenschürze.

Der Bär in kariertem Anzug kommt ein bisschen tump daher. Ihm singt das Prinzesschen ein weiteres der von Jesko Döring extra fürs Stück komponierten originellen Lieder vor: „Bär, du siehst so traurig aus, dir fehlt eine Frau im Haus“, macht sie ihm ihre Schwester als Braut schmackhaft.

Die Zuschauer sind herrlich vom komischen Treiben amüsiert. Das trotzige Kind, das allein im Rittersaal des Schlosses seine Pläne ausheckt, verdreht die Augen, wenn ihm der Mann im Radio Märchen erzählen will. Ein herzerfrischender Dialog zwischen beiden durchzieht das Stück.

Auf der von Sven Nahrstedt gebauten Bühne wird um den großen Tisch gelaufen und unter ihm durch gekrabbelt, sich auf ihn gesetzt und von dort aus die Geschichte erzählt.

Freda Winter weiß mit den Puppen umzugehen, verleiht jeder ihre Rolle. Temporeich und lebhaft geht´s zu. Der dunkle Wald gruselt nicht wie ein Grimmscher Horror-Tatort. Ihn illustrieren kindlich gemalte Bilder von Merle Amalia Fechner, die bei Abstechern zu Wolf und Bär auf die Bühne projiziert werden.

Liebevoll taucht das Stück in die Welt eines Kindes ein. Dabei bohrt nicht der pädagogische Zeigefinger. Die Lösung für sich in der Familie benachteiligt fühlende Geschwisterkinder kann so einfach sein. Am Ende winkt die ganze glückliche Familie seinem Volke zu. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann winken sie noch heute.