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Puppentheater Nibelungenschatz im Plumpsklo

Der legendäre Drachentöter auf dem Plumpsklo: Am Puppentheater Magdeburg wird „Siegfried“ etwas anders erzählt.

Von Grit Warnat 20.10.2016, 01:01

Magdeburg l Florian Kräuter möchte man schon als mutig bezeichnen mit Blick auf sein Ansinnen, die Siegfried-Geschichte der Nibelungensage auf den Kopf zu stellen. Er selbst sieht das nicht so mutvoll. Schon seit längerer Zeit spukt dem Magdeburger Puppenspieler nämlich die Idee im Kopf herum, ein Handpuppen-Spiel auf dem Plumpsklo zu entwickeln. Erst später sei ihm die Idee zum Stoff gekommen. „Das deutsche Nationalepos bot sich an“, sagt Florian Kräuter.

Stirnrunzeln bei seiner Gesprächspartnerin, die einwirft, dass aber der bekannte Siegfried, dieser große Held, und ein Donnerbalken nicht wirklich dicht beieinanderliegen. „Uns ging es vielmehr um den größten Gegensatz, um eine Distanz zum Heroischen. Wir setzen in der Inszenierung auf ein konträres Bild zu diesem großen Stoff voller Überpathos und Treue“, erklärt der Puppenspieler sein Ansinnen. „Wir erzählen unsere eigene Geschichte.“ Und dazu gehöre der Nibelungenschatz in der Sickergrube. Schließlich hätten den alle im Rhein gesucht und nicht gefunden. „Irgendwo muss er ja sein“, sagt Kräuter.

Er muss nicht betonen, dass es schrill und schräg werden wird. Aber er sagt auch, dass er immer die Frage im Blick hat, wie wir mit Helden umgehen. „Wir leben in einer gesellschaftlichen Situation, in der man sich gern Helden schafft, in der man sich wünscht, dass da jemand ist, der einfache Antworten geben kann.“ Siegfried habe sich nicht entschieden, ein Held zu sein. Das hätten andere bestimmt. „Wir sehen diesen alten Stoff sehr im Heute“, sagt er.

Kräuter spricht viel in der Wir-Form, obwohl er Regie führt. „Siegfried“, ein Stück für Erwachsene, ist seine erste Regie-Arbeit am Puppentheater. Er setzt auf das Team auf der Bühne, das er bestens kennt. Nicht nur, weil gerade seine vierte Spielzeit am Puppentheater begonnen hat, sondern weil Lennart Morgenstern, Freda Winter und Leonhard Schubert seine Berliner Ex-Mitkommilitonen sind. Man kennt sich bestens, man schätzt sich. Und schließlich gehöre es zur Arbeit dieses Hauses, dass man sich auch als Puppenspieler immer mit einbringe in die Inszenierungen, so der 32-Jährige. Trotzdem: Den Takt vorgeben, die Verantwortung tragen, sei Herausforderung, die auch Druck erzeuge. Aber er wollte das. Er wollte Regie führen.

Kräuter ist eines von drei Ensemblemitgliedern, denen Intendant Michael Kempchen eine Regiearbeit in diesem Jahr in die Hand gegeben hat. Kempchen verspricht sich neue Sichten, natürlich auch die Weiterentwicklung seiner Puppenspieler in anderen künstlerischen Freiräumen.

„Siegfried“ wird mit Handpuppen erzählt. Mit denen ist Kräuter großgeworden, sein Vater ist Puppenspieler und tourt seit vielen Jahren durch den Süden Deutschlands. Und obwohl es nahelag, dass der Sohn sogleich in diese Fußstapfen tritt, wurde der erst Grafiker, dann aber aber folgte das Studium der Puppenspielkunst. Heute kann sich Florian Kräuter nichts anderes vorstellen als die Bühne und Puppen. „Mit Material agieren zu können, Geschichten zu erzählen, ist ein toller Beruf“, sagt er. Egal ob als Spieler oder als Regisseur.