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Satire Sonneborn trifft Magdeburger Schweinebauern

Martin Sonneborn will die Macht im Land übernehmen. Eine wichtige Etappe dabei ist Magdeburg, erklärt er im Interview mit Massimo Rogacki.

23.11.2017, 23:01

Guten Morgen Herr Sonneborn, wie geht es Ihnen?
Martin Sonneborn:
Sehr gut, danke. Ich schreibe gerade an die Bundestagsverwaltung. Meine Kollegen von der PARTEI und ich arbeiten an einer Wahlprüfungsbeschwerde. Wir wollen die Bundestagswahl wiederholen lassen. Das ist der einzige Weg, Neuwahlen zu vermeiden und das Land aus der Krise zu führen. Ich finde es absolut überzogen, nur wegen der Arbeitsverweigerung der FDP Neuwahlen anzugehen.

Können Sie sich vorstellen, was Bundeskanzlerin Angela Merkel noch antreibt?
Es sind die Snacks, die abends bei Verhandlungen im Kanzleramt gereicht werden. Das dürfte so ziemlich der einzige Anreiz sein, den diese Position noch hat. Denken Sie an Fußballer, deren Karriere dem Ende entgegengeht. Intelligente Leute wie Philipp Lahm beenden ihre Karriere auf dem Höhepunkt. Dümmere machen weiter, obwohl sie ihren Zenit überschritten haben.

Welche Chancen würden Sie sich mit Ihrer PARTEI bei Neuwahlen ausrechnen?
Zunächst einmal würden die uns sehr treffen, weil wir dann innerhalb von zwei Monaten 30.000 Unterstützer-Unterschriften sammeln müssten, um erneut an der Wahl teilzunehmen. Und aus Sachsen-Anhalt wissen Sie ja selbst, wie trist es im Winter vielerorts aussieht. Unbeleuchtete Straßen, keine Menschen. Das ist mühselig. Auch deshalb sind wir gegen Neuwahlen.

Im Moment darf man bezweifeln, ob die Vermittlungsversuche von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier noch fruchten. Sie selbst hatten Ihren Vater als Kandidaten für das Amt vorgeschlagen. Was hätte der anders gemacht?
Mein Vater hätte Befehle erteilt und klare Anweisungen gegeben. Ich glaube, er hätte Christian Lindner und Martin „Chulz“ die Ohren langgezogen. Letzterem trauere ich in Brüssel ja ein wenig nach.

Sind Sie gerade dort?
Ja, bin ich. Ich sitze im siebenten Stock des Willy-Brandt-Gebäudes und starre auf das Hauptgebäude des Europäischen Parlaments, das demnächst abgerissen werden soll. Das wurde in den 90er Jahren für eine horrende Summe gebaut. Jetzt ist es marode und entspricht nicht mehr den europäischen Gebäuderichtlinien. Egal. Stellt man eben ein neues hin.

Hört sich verschwenderisch an.
Ist es.

Apropos. Als Abgeordneter werden Sie gut bezahlt. Neben den Diäten gibt es für EU-Parlamentarier ein Tagegeld von rund 300 Euro. Wie weit kommt man damit in Brüssel?
Ich gebe nicht viel davon aus. Muss ich auch nicht, ich werde oft eingeladen. Außerdem habe ich hier seit drei Jahren die Möglichkeit, das bedingungslose Grundeinkommen in beträchtlicher Höhe zu testen. Und: Ich habe noch keinen Nachteil entdecken können. Bisher. Immer, wenn ein Konto voll ist, eröffne ich ein neues.

Erinnert noch etwas an den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz?
Lustig, dass Sie das fragen. Ich habe seit gestern einen „Chulz“-Pappaufsteller in meinem Büro stehen. Den habe ich mir für viel Geld im Wahlkampf in Berlin gekauft. Sonst ist nichts von ihm geblieben. Nur der Pappaufsteller. Ich glaube, viele SPD-Leute sind erleichtert, dass er weg ist. Mir fehlt er. Aber wir haben ja jetzt einen neuen Super-Präsidenten. Den Italiener Antonio Tajani, der aus der Berlusconi-Fraktion stammt. Ein vieldiskutiertes Thema ist momentan sexuelle Belästigung. Da ist ein Bunga-Bunga-Präsident wie Tajani natürlich ein kompetenter Ansprechpartner.

Wie wahrscheinlich ist es, in Brüssel sexuell belästigt zu werden? Möglicherweise auch mal als Mann?
Gute Frage. Ich wurde noch nie belästigt. Leider. Ich werde ja nun auch schon 53. Ein Alter, in dem man das als Aufwertung hinnehmen würde.

Zurück nach Deutschland. Verfolgen Sie eigentlich immer noch das Ziel, die Mauer wieder aufzubauen?
Ja. Ich thematisiere das bei meinen Besuchen in der Zone jedoch nur sehr vorsichtig. In Wirklichkeit haben wir das 2004, als wir die PARTEI gegründet haben, als populistische Forderung erkannt. Damals gab es Umfragen, dass sich 25 Prozent der Bundesbürger mit einer erneuten Teilung des Landes anfreunden könnten. Und wir haben das Thema besetzt und gesagt: Wir geben dieser Forderung eine parlamentarische Stimme. Wenn uns diese 25 Prozent wählen, sind wir gleich ganz vorn dabei. Das hat nicht funktioniert. Dafür haben wir viele Witze mit der Mauer machen können.

Wie würde die Umfrage heute ausfallen?
Schwer zu sagen. Im Moment begründen wir das Thema neu und etwas moderner. Wir bräuchten nach unserer Überzeugung eine Mauer dringender denn je. Wir benötigen eine Abgrenzungsrealität im Osten, damit sich der zunehmend irrer werdende Kapitalismus wieder mit einem anderen System messen lassen muss. Denn so ungebremst funktioniert er nicht. Im Übrigen möchte ich betonen: Wir schätzen die Zone sehr. Und würden auch separatistische Tendenzen fördern.

Ostdeutschland sollte also nach Katalonien schauen?
Ja. Ich komme auch nach Magdeburg, um Sachsen-Anhalt zu ermutigen, den Schritt, den die Katalanen getan haben, anzugehen. Die PARTEI würde das unterstützen. Und ich denke, der Rest Deutschlands auch. Dann könnten wir ein kommunistisches Schreckensregime errichten. Gregor Gysi könnte das Ganze anführen. Er hat sich nie absolut entschieden dagegen geäußert.

Ihr Programm heißt „Krawall und Satire“. Ist das nicht schon das Motto der AfD?
Nein, der Titel stammt von einem Tittenblatt aus Hamburg mit stark sinkender Auflage. Nachdem ich einige schlechte Witze über den „Stern“ gemacht hatte, wurde ich porträtiert. Und als Krawallsatiriker mit Profilneurose bezeichnet. Das stimmt natürlich. Und deshalb habe ich das übernommen.

Worum geht es inhaltlich?
Ich werde erläutern, wie die Partei gegründet wurde und erklären, wie es uns gelingt, in die Parlamente in Deutschland zu ziehen. Die Schweinebauern aus Magdeburg und dem Umland können sich im Prinzip den nächsten Machthaber anschauen. Dann gibt es noch Gespräche und Fragerunden, in denen das Publikum seine Wünsche und Ängste formulieren kann. Ich notiere mir das und schmeiße den Zettel dann weg, bevor ich am nächsten Tag nach Leipzig weiterfahre.

Ihr Verhältnis zu Sachsen-Anhalt oder Magdeburg scheint nicht sonderlich innig zu sein?
Magdeburg hat die hässlichste deutsche Innenstadt, die ich je betreten habe. Vom Rest habe ich noch nicht viel gesehen. Ich weiß, dass in der Ecke des Doms ein Walfischzahn hängt. Den haben wir mal besichtigt, als wir auf Lesereise waren. Das hat mich verwirrt, weil das nächste Meer ja doch etwas entfernt ist. Und natürlich weiß ich, dass die AfD und die CDU im Landtag sitzen. Das spricht Bände.

Dann also lieber die Autonomie oder das kommunistische Schreckensregime?
Einen Versuch wäre beides wert.

„Krawall und Satire“ am 27. November, 20 Uhr, im AMO Kulturhaus Magdeburg, Tickets in den Volksstimme-Service-Centern Salzwedel, Stendal und Magdeburg.