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Schauspiel Demokratie-Stück am Theater Magdeburg

"Hello. It’s me Democracy" nach einem Roman von José Saramago ist jetzt im Theater Magdeburg zu sehen.

Von Claudia Klupsch 01.10.2017, 23:01

Magdeburg l Stell dir vor, es ist Wahl und keiner macht mit. Ein solches Szenario spielt der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago in seinem Roman „Stadt der Sehenden“ durch. 83 Prozent der Wähler lassen ihren Stimmzettel weiß. 83 Prozent der Stimmen sind ungültig. Der Staat wittert Revolution, reagiert mit Ausnahmezustand, lässt Panzer auffahren. Beschrieben ist ein Endzeitszenario der Demokratie, unvorstellbar überzogen freilich, dennoch geeignet, über Schwächen unseres politischen Systems und seiner Mechanismen zu sinnieren.Koslowski setzt drei Wahlverweigerer in den Fokus. Ines und Mayo lernen Thomas an jenem Tag kennen, an dem sie nicht zur Wahl gegangen sind (weil es regnete).

Das Groteske betont Koslowski nicht nur mit den schrulligen, merkwürdig gekleideten Gestalten. Was sie sprechen, betont immer wieder die eingespielte musikalische Fanfare der dramatischen Wichtigkeit. „Politik ist jeder Anfang einer Revolution!“ Tusch. „Wir sind der Diskurs der anderen!“ Tusch. Jeder Satz ist absonderlich und scheint albern-komisch bis nichtssagend und bekloppt. Die drei erklären sich zur „Sperrspitze der Avantgarde“ und bilden eine Dreier-Kommune - eine private Dreier-Demokratie.

Pia Micaela Barucki, Ralph Opferkuch und Amadeus Köhli haben einen schweren Text zu sprechen, gilt es doch, vermutetes Politikerdeutsch in irren Sätzen zu ironisieren und in Dialoge zu bringen, Sinnfreies als Bedeutungsvolles zu intonieren. Weitgehend konzentriert und bemüht, ihr Spiel durchgehend ernst zu nehmen, geben sie passable Komödianten.

Geschehnisse in der „guten Stube“, im „Salon“ werden über eine Filmprojektion gezeigt, was als technische Spielart das Unwirklich-Konstruierte betonen mag. Die Drehbühne von Ausstatter Maximilian Siebenhaar gibt aber auch das realistische Bild von Küche und Minibad frei. Bedauerlich einsam wirken die drei Menschen in ihrem Privaten, abgeschottet, eingeschränkt. Dies mag der Betrachter des Schauspiels nachsichtig erkennen trotz all diese kruden Sätze, der Wiederholungen (in Anspielung auf wiederkäuende Politiker) und Zitatenklamauk von Platon bis Engels. Doch die Figuren bleiben weit entfernt, ja fremd, sie haben keine Geschichte, keine Antworten auf das Woher und Wohin, auf das Warum schon gar nicht. So ist es gewollt - eine Parallele zu Saramago, der seinen Figuren noch nicht einmal Namen gönnte.

Ines, Mayo und Thomas zelebrieren eine Streitkultur, die sich gewaschen hat. Es fliegen die Fetzen, geht es doch um existenzielle Fragen wie Kartoffeln und Töpfe. Da steigt Amadeus Köhli schon mal auf den Tisch und brüllt puterwütend. Die beiden anderen sind ihrerseits auf 180. Demokratie kann anstrengend sein. Fortschreitend anstrengend ist das Spektakel auf der Bühne. Quasi jeder Satz ist eine Anspielung auf das, was schiefläuft im Staate Demokratie.

Anderthalb Stunden saust es um die Ohren, fortwährend ist zu sezieren, worauf der abgeschossene Pfeil zielt. Mit der Zeit nervt es. Nervt es nicht mehr, langweilt es. Wenn die drei Seilspringen (Hopse-mopse) spielen, ist der alberne Bogen endgültig überspannt. Stark gelingen die „Wahlkampfreden“, als es darum geht, zu verhindern, von den anderen aufgegessen zu werden. Pia Micaela Barucki karikiert eine solche Rede höchst amüsierend („Ich bin unverdaulich.“). Die Demokratie der Dreier-Kommune endet gewaltsam. Thomas entpuppt sich als blutrünstiger Mörder. Ralph Opferkuch lässt beinah schaudern, wenn das Ganze nicht zu absurd wäre.

Der moralisierende Zeigefinger „Zeigi“ mahnt am Ende, Bestehendes zu verbessern. Koslowski lässt es sinnigerweise ein Kind sagen – Jade Rasch, die gemeinsam mit Annelie Kannenberg-Bode und Constantin Krüger mit dem Prolog zu Beginn das Publikum trefflich amüsierte.

Ist jetzt die Zeit, sich die Demokratie und ihre Schwächen klamaukartig vorzuknöpfen, in einem Jetzt, in der mangelnde Wahlbeteiligung wie zu Saramagos Romanzeit 2004 ein vergleichsweise kleineres Problem zu sein scheint? Demokratisches Dilemma? Politikerversagen? Wählerversagen? Niemand kann sich rausnehmen, heißt es im Stück.