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Schauspiel Magdeburg Welttheater ohne Sprache

Peter Handkes Stück „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ ist ohne Sprache - ein Experiment für das Magdeburger Schauspielhaus.

Von Grit Warnat 04.05.2017, 01:01

Frau Crombholz, ein Stück ohne Sprache ist Neuland an Ihrem Schauspielhaus. Ist es auch Neuland für Sie als Regisseurin?

Cornelia Crombholz: Ja. Ich schätze aber generell sehr die Bildersprache. Deswegen ist es für mich naheliegend, mal etwas zu probieren, wo man von Anfang an gleich auf die Sprache verzichten darf.

Der Hauptakteur ist ein Platz. Wie spannend ist das?

Das Spannende sind die Menschen, die den Platz queren, und die Geschichten, die daraus entstehen. Es mischen sich reale Geschichten, Traumsequenzen, historische Ereignissen. Der Platz ist wie ein Welttheater.

Peter Handkes Stück ist eine Regieanweisung. Wie viel Freiraum bleibt da?

Er hat minutiös aufgeschrieben, was auf dem Platz passiert. Es gibt aber endlose Möglichkeiten, die Menschen und ihre Geschichten zu visualisieren. Vieles ist deshalb Erfindung.

Das Stück setzt auf Mimik, auf Gestik. Ist das eine besondere Herausforderung für das Ensemble?

Der Körper, die Gestik, die Mimik sind das Urerzählmittel der Schauspielerei. Damit arbeiten wir sonst auch. Wir überspringen es aber leider oft, weil wir auf den Text fokussiert sind. Bei Handke muss man die Dinge anders ausdrücken. Es ist eine Reise in die Urniederungen des Theatererzählens. Das ist hochinteressant, aber auch eine unglaubliche Herausforderung.

Der „Spiegel“ hatte über die Inszenierung am Thalia-Theater in Hamburg von „praller Extrempantomime“ geschrieben. Ist es das auch für Sie?

Pantomime würde ich nicht sagen. Es kommen vielmehr mehrere Künste zusammen. Prall ist es aber in jedem Fall, weil man nicht mit Sprache ausschmückt, sondern eine szenische Verdichtung finden muss.

Die Aufführungsdauer an anderen Theatern liegt zwischen einer und mehr als zwei Stunden. Wie lang wird Ihre Inszenierung?

Eine Stunde und 40 oder 50 Minuten.

Bei Handke spielt sich alles auf einem Platz irgendwo in Europa ab. Bei Ihrer Inszenierung auch? Oder verorten Sie den Platz eher in Magdeburg?

Wir befinden uns nicht an einem geografisch konkreten Ort, aber wir sind im Hier und Jetzt. Wir sind bei den Themen, die uns gesamtgesellschaftlich oder einzeln ganz aktuell beschäftigen. Aber Reminiszenzen an Magdeburg gibt es auch.

Sie hatten vorab gesagt, dass das Stück gut ans Haus passe, weil das Ensemble sehr erfindungsfreudig sei. Inwieweit werden die Schauspieler eingebunden?

Da es eine überbordende Szenenfülle gibt, muss man mit Vorgaben arbeiten. Wie die Schauspieler aber die Szenen spielen, das liegt sehr in ihrer Fantasie.

Der Schauplatz wird belebt von 16 Schauspielern und zusätzlich Statisten. Es gibt unglaubliche 350 Rollen und 300 Kostüme.

Es ist nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter der Bühne mächtig was los.

Man kann sich diese Rollenmenge schwer vorstellen. Was erwartet den Zuschauer?

Ein riesiges Bildertheater. Es gibt traurige und lustige Szenen, schöne Begegnungen, Liebe, Hass, Verzweiflung, Altern, Jungsein, Erfolg und Erfolglosigkeit. Es gibt Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, ganz verschiedene Typen. Auf der Bühne spiegeln sich alle Facetten des menschlichen Daseins. Es sind manchmal auch kleine Geschichten, denen man im Alltag begegnet. Es haben viele zarte Dinge nebeneinander Platz, und dann gibt es wiederum die große voluminöse Szene. Der Zuschauer erlebt ein Weltpanoptikum.

Setzt das Stück besonders stark auf das persönlich Erlebte?

Absolut. Ich bin mir sicher, dass bei jedem im Publikum Erlebtes wachgerufen wird. Das Stück spricht unglaublich zu uns, nicht mit Worten, aber mit einer Bilder- und Emotionssprache. Wir erleben eine Hochzeit, dann eine Beerdigung. Das ist der Kreislauf des Lebens. Das alles ist emotional hochaufgeladen.

Premiere ist am 13. Mai, 19.30 Uhr.