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Schauspielhaus Ohrfeigen für Magdeburger Theatergäste

Regisseur Moritz Gärber feierte Premiere mit "Das Knurren der Milchstraße" im Magdeburger Schauspielhaus. Gäste werden miteinbezogen.

Von Christina Bendigs 28.05.2018, 01:01

Magdeburg l Haben Sie schon mal jemandem im Theater eine Ohrfeige gegeben? In „Das Knurren der Milchstraße“ von Bonn Park, das am Sonnabend im Magdeburger Schauspielhaus Premiere feierte, dürfen Sie es tun. Abhängig davon, ob Sie auf einem Stuhl mit gerader oder ungerader Nummer sitzen, könnte es jedoch auch sein, dass sie der Geohrfeigte sein werden. Mit dem im Stück inbegriffenen Experiment ist das Publikum nahezu am Ende der Vorstellung des absurd-komischen Weltuntergangsszenarios angelangt, das von Moritz Gärber im Schauspielhaus im Rahmen der Reihe „Sprungbrett“ inszeniert wurde. Der 1996 in Düsseldorf geborene Theatermacher präsentiert damit sein Regiedebüt.

Von einem richtigen Stück mag man eigentlich aber gar nicht sprechen – denn einen echten Erzählstrang liefert Bonn Park nicht. Vielmehr reiht der Autor Monologe teils korrespondierend, teils völlig unabhängig voneinander aneinander. Aber immer sind sie eine ordentliche Spur abstrus: Der Zuschauer trifft auf den nordkoeranischen Machthaber Kim Jong-un, der sich nichts sehnlicher wünscht, als die beiden Koreas wiederzuvereinigen, auf eine fette Heidi Klum, die über eine App gerufen werden kann, wenn man sich von unliebsamen Dingen trennen möchte: Sie isst sie einfach auf, oder auf Donald Trump, der Waffen zu einem Kunstwerk einschmelzen lässt und sein Geld an arme Kinder verschenkt.

Diese Figuren sind mal traurig, mal verzweifelt, mal voller Optimismus, aber alle haben sie eines gemeinsam: Bonn Park, der sich auch selbst ins Stück geschrieben hat und aus dem Morgen zu den Menschen spricht, konstruiert für sie eine Zukunft, die unwahrscheinlicher nicht sein könnte.

Moritz Gärber hätte diese Science-Fiction-Revue mit einem aufwendigen Bühnenbild, futuristischen Kostümen und Spezial-Effekten inszenieren können, tut genau das aber nicht. Stattdessen setzt er vor allem auf Schwarz und bildet damit einen Ruhepol zum verworrenen Text. Er gestaltet vor allem mit Licht und Dunkel, ein wenig Nebel und ein bisschen bunt-schimmerndem Lametta. Ansonsten ist es an den Schauspielerinnen Maike Schroeter und Carmen Steinert, die Bühne mit Leben zu füllen. Dafür stellen ihnen die Ausstattungsassistentinnen Nadine Hampel und Josefine Marie Krebs einen unregelmäßig geformten, mannshohen, schwarzen Kubus zur Verfügung, im hinteren Bereich der Bühne noch ein Podest. Darauf, daneben, dahinter und darin spielen sich die Szenen ab, die man sich auch aufgrund der schauspielerischen Leistung aber dennoch gut vorstellen kann.

Von ganz laut bis ganz leise nutzen Schroeter und Steinert ihren kompletten Stimmumfang, lassen ihre Figuren immer wieder auch ins psychopathische abgleiten. Sie tragen ihrerseits schwarze Stoffanzüge und streifen sich im Verlauf der Inszenierung einen gelben Tüllrock beziehungsweise einen weißen Kittel über. In ihren Texten, die sich teils überlagern, teils überlappen oder abwechseln, haben sich die beiden perfekt aufeinander abgestimmt. Manchmal fällt es allerdings schwer, beiden zu folgen und die Überkreuzungen der Texte zu verarbeiten.

Der besondere Charme dieser Inszenierung besteht in ihrer fast vorsichtigen Gestaltung, die einem manchmal das Gefühl gibt, wie durch ein Fernglas zu blicken. Sie ist modern, ohne überdreht, schrill oder geschmacklos zu wirken. Sehenswert „für Leute, die bereit sind, sich der Überforderung der Welt zu stellen“, aber nicht nur.