1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Neue musikalische Horizonte

Sinfoniekonzert Neue musikalische Horizonte

Im Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie standen Werke aus Japan, Deutschland und Frankreich auf dem Programm.

Von Ulrike Löhr 26.02.2017, 23:01

Magdeburg l Japanisch mutete das Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie an. Standen doch mit ihrem 1. Konzertmeister Yoichi Yamashita als Solist und dem in Magdeburg erstmalig gastierenden Dirigenten Yasuo Shinozaki zwei japanische Künstler auf dem Podium.

Yasuo Shinozaki kombiniert häufig Klassiker mit Modernem und Musik des Westens mit der des Ostens. Das tat er auch diesmal und präsentierte sich mit einem beeindruckenden Dirigierstil, klar ausbalanciert zwischen sicher, selbstbewusst, energetisch und suggestiv, emotional, weich. Eine Freude anzusehen, vor allem anzuhören.

In dem Spannungsfeld zwischen westlicher Avantgarde und traditioneller japanischer Kultur entwickelte der bekannteste lebende Komponist Japans Toshio Hosokawa seine bemerkenswerte Musiksprache. Von ihm erklang sein für die Salzburger Festspiele 2005 entstandenes Orchesterwerk „Circulating Ocean“. Keine bloße Nachbildung des Klanges von Meer und Wind, sondern Hosokawa setzte hier dichte Tonbildungen in weite Sphären – einem menschlichen Werden und Vergehen. Mit großartiger Dynamik formten die Musiker Klanggebilde mit zarten Schleiftönen der Streicher, die Blechbläser mit Luftgeräuschen, dunkel klingender Flöte, Harfe, Celesta, allerlei gespenstischem Schlagwerk und Metallophonen. Die originalen Windglöckchen brachte der Dirigent Yasuo Shinozaki eigens aus Japan mit. Ein Meereswogen ohnegleichen, Sturm und aufsteigender Nebel, alles im Fluss - der Kreislauf des Lebens.

Dem gegenüber stand das Violinwerk des deutschen Komponisten Harald Genzmer (1909–2007). Seine Ästhetik beschrieb er so: „Musik soll vital, kunstvoll und verständlich sein“, praktikabel für den Interpreten, erfassbar für den Hörer. Der 1. Konzertmeister der Magdeburgischen Philharmonie Yoichi Yamashita trat in den letzten Jahren vor allem mit Solokonzerten des 20. Jahrhunderts hervor. Das Genzmer-„Concerto da camera für Violine und Orchester“ von 1959 reiht sich da ein, ohne harmonische Grenzen einer „erweiterten“ Tonalität zu überschreiten. Mit gezielter Expressivität, äußerst sauberer Artikulation und technischer Versiertheit gestaltete Yamashita diese unaufdringliche Virtuosität. Die Staccato-Läufe hatten etwas Harlekin-Witz, die Doppelgriffe wirkten anspruchsvoll, die Yamashita mit gestalterischer Vielfalt meisterte, ebenso die Solokadenzen. Auch die tonlich schöne Lyrik kam mit dem kleinbesetzten Orchester vertraut zum Tragen. Besonders im dritten Satz, den die zwei Hörner thematisch eröffneten, ließen die Taktwechsel und effektvollen Doppelgriffe offensive Steigerungen zu, so dass der Konzertmeister das Stück künstlerisch begeisternd mit Leben erfüllt hat.

Großes Kino gelang den Philharmonikern und ihrem Gastdirigenten schließlich mit César Francks einziger Sinfonie d-Moll. Diese gehört zu jenen Werken, die bei ihrer Uraufführung (1889) gehörig irritierten ob ihrer vermeintlich konfusen harmonischen Konzeption. Trotz der eindringlichen Schönheit der Melodien war es für Shinozaki und die Musiker die Aufgabe, in die dauernden Modulationen und sich windende Chromatik Licht hinein zu musizieren. Das gelang in erster Linie mit der vom Dirigenten hervorragend intelligent gesteuerten Dynamik, aber auch durch perfekt stimmige Holzbläser und schlank ausbalanciertes Blech.

Wie zauberhaft zupften zu Beginn des Allegrettos die Streicher zur Harfe, wozu elegisch schön Englischhorn und Bratschen stießen. Die Doppelbödigkeit im Finale hebelt die Eroica-Nachahmung fast aus den Angeln, bevor der dynamische Fluss brillant erzählend mündet.

Danke für diese neuen musikalischen Horizonte.