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Skulpturenpark Von der Sorge um Kunst im Freien

Kunst im öffentlichen Raum hat mit dem Skulpturenpark in Magdeburg eine lange Tradition. Doch immer wieder werden Werke beschmiert.

Von Grit Warnat 23.05.2019, 01:01

Magdeburg l Es gibt kaum einen Bildband über Magdeburg, in dem die Hubbrücken-Installation des italienischen Lichtkünstlers Maurizio Nannucci fehlt. Der Schriftzug „Von so weit her bis hier hin. Von hier aus noch viel weiter“ taucht mit der abendlichen Beleuchtung in die Elbe. Brücke, Fluss, gotischer Dom, Kunst – das alles ist nicht nur eine Einheit, sondern gehört – weil mit Blick in die Welt sehr besonders – längst zu den fotografischen Lieblingsmotiven von der Landeshauptstadt. Doch Nannuccis farbenfroher, sinnlicher Spruch wurde immer wieder mutwillig zerstört.

Der Zeitzähler der deutsch-französischen Künstlerin Gloria Friedmann ist am Elbbalkon demoliert worden. Reparatur. Seit wenigen Tagen fehlt nun auch der Mechthild von Magdeburg ein Arm. Die mittelalterliche Mystikerin und Poetin wurde von der in London lebenden Künstlerin Susan Turcot geschaffen. Die markante Skulptur besteht aus transparentem Kunststoff – einmalig in Deutschland. Doch einige Chaoten sehen all das nicht als wertvolle Bereicherung einer Stadt.

Wenn Annegret Laabs aus ihrem Büro-Fenster schaut, dann sieht sie das hochärgerliche Dilemma: Die amputierte Mechthild. Eine Reparatur wird durch den einheitlichen Guss nicht möglich sein. Es geht um mindestens 20  000 Euro. Und doch kündigt die Leiterin des Kunstmuseums Kloster Unser Lieben Frauen für Sonntag die Eröffnung eines neuen Kunstwerkes im öffentlichen Raum an. „Wir geben nicht auf. Wir machen weiter“, sagt sie, als ob das nach der jüngsten Zerstörungswut das Selbstverständlichste von der Welt wäre.

„Es ist kein Magdeburg-Problem“, sagt Laabs. Es gebe inzwischen nicht wenige Städte, die sich scheuen würden, auf Kunst im öffentlichen Raum zu setzen. Ihr Museum aber, ein städtisches Haus, will nicht abrücken von dem seit Jahren verfolgten Ziel, den Skulpturenpark mit zeitgenössischer Kunst attraktiver zu machen. Für Magdeburg, für Besucher, für das Kunstmuseum. Schließlich würde so manches Werk unter freiem Himmel neugierig machen auf das, was da in den Räumlichkeiten des Museums zu entdecken sei, sagt die Chefin.

Rund um das einstige Kloster stehen und liegen die Bronzen. Arbeiten von Waldemar Grzimek, Fritz Cremer, Werner Stötzer, Gustav Seitz, Wieland Förster und vielen anderen Bildhauern der DDR. 50 Großplastiken gehören zum Skulpturenpark, der im Herbst 1989 – zum 40. Jahrestag der da schon zusammenbrechenden DDR – eingeweiht worden war. Ein Erbe, von dem sich das Kunstmuseum keineswegs trennen will. In anderen Städten im Osten, so sagt Annegret Laabs, habe man gleich nach der Wende viele solcher Kunstwerke abmontiert. Oft verschwand diese DDR-Vergangenheit in den Magazinen oder wurde einfach umgesetzt, raus aus der City, hin an die nicht so beachtete Peripherie.

In Magdeburg hingegen wurde der Park räumlich sogar geweitet – zur Elbe und zum bebauten Elbbahnhof, der heutigen Flaniermeile der Magdeburger und ihrer Gäste. Für Ostdeutschland, so sagt Laabs, habe der Park Alleinstellungsmerkmal.

Der Zeitzähler wird noch repariert. Immer wieder musste Ersatz geschaffen werden für Nannuccis Kunstwerk – eine Spezialanfertigung aus italienischem Murano-Glas. Und Mechthild? Laabs ist am Recherchieren. Schon damals, 2010, sei der Guss nicht einfach gewesen. Die Firma gibt es nicht mehr. Und wer übernimmt die Kosten? Reparaturen gehen schnell in Tausende Euro. Im Haushalt des Museums steht kaum Geld dafür zur Verfügung. Vieles wurde bisher durch Spenden „behoben“. Das Museum ist immer wieder gefordert, Konzepte zur Finanzierung zu erstellen. Laabs lächelt und sagt, bisher habe man all das gestemmt.

Der Skulpturenpark werde erweitert, sagt sie mit Bestimmtheit. Am Sonntag wird die Klangskulptur „Long Lost Bells / Verlorene Glocken“ des kanadischen Künstlers Robin Minard eingeweiht. Das Projekt „Ambitus“, gefördert unter anderem von mehreren Stiftungen, Sponsoren, dem Land und der Stadt Magdeburg, macht das Klangprojekt im öffentlichen Raum möglich. „Wir werden hören, wie Magdeburg einst geklungen hat“, sagt Laabs und meint die vielen Kirchen und ihre Glocken, die Magdeburg einst prägten, aber in den Kriegen zerstört oder zu DDR-Zeiten gesprengt wurden. Die geretteten Glocken stehen im Kreuzgang des Kunstmuseums. Minard, Professor an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar, hat sie angeschlagen und zum Klingen gebracht.

Bis Ende des Jahres, so kündigt das Museum an, sollen noch zwei weitere Kunstwerke übergeben werden.

Übergabe der Klangskulptur am 26. Mai, 15 Uhr, im Außenbereich des Kunstmuseums. Der Künstler ist anwesend.