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Telemann Das barocke Multitalent

2017 ist Telemann-Jahr. Vor 250 Jahren starb der Barockkomponist. Magdeburg veranstaltet ein mehrmonatiges Festival.

Von Grit Warnat 12.01.2017, 00:01

Magdeburg l Als der kleine Georg Philipp am 14. März 1681 als sechstes Kind der Pastorenfamilie Telemann in Magdeburg das Licht der Welt erblickte, litt die Stadt immer noch an den Folgen der großen Zerstörung von 1631. Zudem grassierte die Pest und dezimierte erneut die Bevölkerung. Als Telemann heranwuchs, wurde Magdeburg zu einer der großen Festungsstädte ausgebaut.

Es existiert nichts Bauliches mehr, das heute noch an den äußerst produktiven Komponisten Telemann erinnert. Nicht sein Elternhaus in der Judengasse, nicht die Heilig-Geistkirche, in der er getauft wurde. Telemann, der in Magdeburg zur Schule ging und von Lehrern gefördert wurde, fand früh Freude an Musik und Literatur, eignete sich das Spiel von Instrumenten autodidaktisch an. In Magdeburg begann er bereits zu komponieren. Um 1693 entstand seine Oper „Sigismundus“.

In einer Zeit, als man die Welt weiter entdeckte, als der Sternenhimmel gedeutet wurde, als sich die Wissenschaften ausweiteten, stieg der gebürtige Magdeburger zu einem der renommiertesten Komponistenpersönlichkeiten auf. Zu seinen Lebzeiten war er hochgeschätzt.

Wer war Georg Philipp Telemann, der immer mal wieder als Kosmopolit und Multitalent bezeichnet wird?

Telemann steht in der Wertschätzung immer wieder hinter Bach und Händel. Im Musikleben erklingen seine Werke eher selten, auch weil man mit seinem Namen keinen Ohrwurm verbindet. Die Krönungs-Hymne Händels hingegen kennt jeder, der die Fußball-Champions-League schaut. Von Telemann gibt es nichts vergleichbar Bekanntes. „Ein Werk, das man nicht oft hört, setzt sich zu wenig fest in einer musikdurchfluteten Zeit“, sagt Carsten Lange, Leiter des Magdeburger Telemann-Zentrums.

Er war äußerst produktiv. Telemann hat 1500 geistliche Kantaten und etwa 50 Opern hinterlassen. Als Vielschreiber wurde er oft abqualifiziert. Carsten Lange weiß um keinen anderen Komponisten, der in der Musikgeschichte so abgestraft wurde wie Telemann. Lange versucht das zu begründen und spricht von ästhetischen Dingen in der Musik und dass Telemann sehr zeitnah komponiert hat, vielleicht auch dem Zeitgeschmack gefolgt ist. „Er tat das nicht, um Leuten zu gefallen, sondern den Menschen die Musik näherzubringen“, sagt er. Das sei keine Unterhaltungsmusik.

 

Telemann baute Ensembles auf, die seine Musik adäquat spielen konnten. Als er in Leipzig studierte, gründete er das Collegium Musicum aus Studenten – eine Basis, um Musik zu transportieren. „Sein Denken ging immer über das Notenblatt hinaus“, sagt Lange. Selbst Bach nutzte das Collegium Musicum für seine Musik.

Telemann musizierte in Leipzig in Kaffeehäusern und Gastwirtschaften. In Hamburg führte das zu starken Auseinandersetzungen. Er war als Kirchenmusiker angestellt und ging ins weltliche Umfeld. Das war damals nicht jedermanns Sache.

Telemann schaute mit großer Freude über den Tellerrand. Er war in vielen Stilen zu Hause: im deutschen, im französischen, im italienischen, in der Vermischung. Er wurde und wird geschätzt als Komponist des vermischten Geschmacks. „Er hatte eine Offenheit allem Fremden gegenüber“, sagt Lange. „Er hat sich für seine Musik immer mit Mentalität, mit Volk, mit Nationen beschäftigt.“

Er sprach französisch und englisch, italienisch, und er war ein guter Lateiner. Erste Französischkenntnisse müssen aus seiner Kindheit in Magdeburg stammen, weil viele aus der Wallonie geflohene Reformierte sich in der Stadt angesiedelt hatten. Telemann hatte zeitlebens eine Affinität zum Französischen, er arbeitete zwischenzeitlich auch in Paris.

 

Ab 1715 hat Telemann einen eigenen Verlag unterhalten und seine Werke gedruckt, um sie bezahlbar zugänglich zu machen. Zu seinen Druckwerken gehört unter anderem die Musikalienzeitschrift „Der getreue Musicmeister“, in das er auch andere Komponisten aufgenommen hat.

 

Ab 1715 hat Telemann seine Konzerte vermarktet, in dem er Anzeigen in Zeitungen geschaltet hat und Karten verkaufte. In Frankfurt mussten die Gäste beispielsweise Textbücher kaufen, um in das Konzert gehen zu können. Man sollte diese Idee nicht aufs Geldverdienen reduzieren, sagt Carsten Lange. „Es ging ihm auch darum, dass sein Publikum verstand, was es da hörte.“

 

Telemanns Liebe zu Blumen war bei vielen bekannt. Vor den Toren der Stadt Hamburg, wo er ab 1721 lebte, hatte er einen Garten und suchte den Kontakt zu Botanikern. Selbst Händel hat aus dem fernen London exotische Pflanzen nach Hamburg geschickt. Laut einem Briefwechsel hat Telemann Anemonen, Tulpen, Ranunkeln und Hyazinthen besonders gemocht.

 

Telemann hatte zweimal geheiratet. Seine erste Ehe schloss er 1709 mit Amalie Louise Juliane Eberlin. Sie hatte ihm eine Tochter geschenkt und war im Kindbett gestorben. Telemann war Ende 20 und lebte in Eisenach. Wie ihn dieser Tod getroffen hat, ist in einem sehr emotionalen, persönlichen Liebesgedicht auf das Ableben seiner Frau festgehalten. Telemann war auch ein guter Dichter.

1714 heiratete er in Frankfurt am Main Maria Catharina Textor.

Telemann hatte neun Kinder – sieben Söhne und zwei Töchter. „Telemann war bestimmt kein ganz einfacher Familienvater, weil er so unglaublich engagiert in seinem Beruf war“, fasst der Telemann-Expert Lange aus dem wenig überlieferten Material zusammen. Er soll aber ein sorgender Familienvater gewesen sein, auch weil er seine Kontakt genutzt hatte, um Ausbildungsberufe für die Kinder zu vermitteln. So habe ein Sohn sich bei einem dem Vater bekannten Apotheker in Stockholm ausbilden lassen. Telemann nutzte immer wieder seine Kontakte, damit seine Kinder ihren Weg gehen.

Keines von ihnen hatte beruflich etwas mit Musik zu tun.