1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Debüt in Stendal

Theater Debüt in Stendal

Seit Dienstagabend steht der neue Intendant für das Theater der Altmark fest: Wolf E. Rahlfs, noch wohnhaft in Baden-Württemberg.

Von Grit Warnat 24.08.2017, 01:01

Stendal l Stendals zukünftiger Intendant hatte wohl nicht so wirklich damit gerechnet, dass er am Dienstagabend gekürt wird. Am Mittwochmorgen, als Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) die Belegschaft ins Kleine Haus des Theaters eingeladen hatte, um die Personalie zu verkünden, war der Neue schon in der Nähe von Hannover.

Mehr als den Namen gab es von Schmotz zum designierten Intendanten nicht zu erfahren. Kein Woher, kein Warum. Vor allem eine Begründung, warum die Wahl denn nun auf Wolf E. Rahlfs fiel, hätte sicher so machen in der Belegschaftsrunde interessiert. Es gab nur so viel: Rahlfs habe sich sowohl in der Findungskommission, die am Montag und am Dienstag tagte, als auch im anschließend beratenden Haupt- und Personalausschuss durchgesetzt.

Bei Rahlfs, so sagt er später zur Volksstimme am Telefon, sei die Freude groß. Und natürlich wisse er um die Herausforderung. Rahlfs arbeitet als Schauspieler (ausgebildet wurde er in Liverpool), Regisseur, Musiker, verdient sein Geld vor allem an der Badischen Landesbühne, die im baden-württembergischen Bruchsal, seinem Wohnort, ihren Sitz hat. Dort ist er aktuell in Shakespeares Stück „Der Widerspenstigen Zähmung“ zu sehen. Im September, wenn er 40 Jahre alt wird, steckt er mitten in der Inszenierung der deutschsprachigen Erstaufführung von Éric-Emmanuel Schmitts „Vierundzwanzig Stunden im Leben einer Frau“. Im Osten Deutschlands wird Stendal sein Inszenierungsdebüt.

Ja, inszenieren wolle er in Stendal, sagt er, und dem Haus seine künstlerische Visitenkarte mitgeben. Sein Steckenpferd, die zeitgenössische Dramatik, will er vor allem am Kleinen Haus auf die Bühne bringen. Konkreter kann er nicht werden. Zu frisch ist das Votum für ihn. Zudem wartet in Stendal eine Intendanz auf ihn und damit die Führung eines Hauses mit knapp über 70 Mitarbeitern. Zum Ensemble gehören elf Schauspieler. „Die Rolle Intendant ist ganz neu“, sagt der 39-Jährige.

Seit 2013 hat er zwar ein Weiterbildungsdiplom Theater- und Musikmanagement in der Tasche, ein Theater aber noch nicht geführt. „Mich reizt die Perspektive, nicht nur eine Inszenierung, sondern die Ausrichtung eines ganze Hauses mit einem künstlerischen Team zu gestalten“, sagt er am Telefon. Und: „Ich will das Haus künstlerisch stark positionieren und wirtschaftlich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen solide führen. Das Theater steht sehr gut da.“ 62 000 Besucher bei 809 Vorstellungen im Jahr 2016 hat Netschajew gestern für das Stendaler Einspartenhaus vor den Mitarbeitern verkündet.

Mit der Mitarbeiterversammlung hat die neue Spielzeit am Haus begonnen. Es ist Netschajews letzte in Stendal. Nach den Theaterferien im Februar hatte er sehr überraschend seinen Mitarbeitern verkündet, dass er seinen erst im vergangenen Sommer verlängerten Vertrag zum Ende der Spielzeit 2017/18 kündigt. Er führt seit Sommer 2012 das Theater der Altmark. Die Stadt schrieb den Posten aus.

40 Bewerbungen waren eingegangen. Anfang der Woche nun tagte die Findungskommission – mit Vertretern der Geldgeber Land, Landkreis, Stadt, zudem Stadträten aus drei Fraktionen, dem Deutschen Bühnenverein.

Über neun Bewerbungsschreiben hatten sie zu befinden – zwischenzeitlich hatte ein interessanter Theatermann seine Bewerbung zurückgezogen.

Dass jemand das Rennen macht, der keine Leitungserfahrung vorweisen kann, verwundert, wurde doch laut Ausschreibung eine „Persönlichkeit mit vielseitiger künstlerischer, organisatorischer und wirtschaftlicher Erfahrung“ gesucht. Der Oberbürgermeister meinte auf Volksstimme-Nachfrage, Bewerbungen mit großer Erfahrung seien nicht reich eingegangen. Dabei sind bei den neun verbliebenen Bewerbern (Liste liegt der Volksstimme vor) einige zu finden, die in ihrer Vita Intendantenposten vorweisen können, andere zumindest mal eine Sparte geleitet haben.

Dass ein Tobias Wellemeyer, der Noch-Intendant am Potsdamer Hans-Otto-Theater und einstige Intendant der Freien Kammerspiele Magdeburg (2001–2004), von 2004 bis 2009 Generalintendant des damals fusionierten Theaters Magdeburg, es nicht in die nochmals ausgesiebte Schlussrunde schaffte, rief bei Theaterinsidern Kopfschütteln hervor. Von großem Renommee für das Stendaler Haus wurde gesprochen und schon geunkt darüber, dass ihm seine einstige Verbalattacke immer noch nachhängen würde. Der Theaterchef hatte 2008 im Streit um ein geplantes Kunstwerk des renommierten Bildhauers Daniel Cragg auf dem Universitätsplatz Magdeburger Stadträte als „dumpfbackige Provinzler“ bezeichnet.

Stendal hat entschieden. Wolf E. Rahlfs übernimmt das Ruder. Sein Wunschkandidat sei ein anderer gewesen, gab Klaus Schmotz zu und fügte an: „Mit dieser Entscheidung kann ich sehr gut leben.“