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Theater Magdeburg Pure Gegenwart

Am Theater Magdeburg hatte die Richard-Strauss-Oper Salome Premiere. Das Publikum war begeistert.

Von Irene Constantin 06.05.2018, 23:01

Magdeburg l Kindfrau oder Operndiva, lyrischer Sopran oder volle dramatische Stimmwucht? Für die Salome gibt es kein „oder“, sie muss immer beides sein. Richard Strauss schuf eine kapriziöse Tochter und zugleich eine divenhaft verführerische judäische Prinzessin, sie muss stimmlich leuchten wie im Augenblick junger Liebe und mit voller Kraft ein Riesenorchester übertönen. Magdeburg hat mit dem Gast Susanne Serfling einen guten Griff getan. Ihre Stimme hat Flexibilität und Kraft, genau die richtige Mischung aus unverbrauchter, klarer Tongebung und durchschlagender Ausdauer. Großartig ihre grandiose Schlussszene, vom Flüstern zum rauschhaften Glanz sich steigernd.

Ohne allzu aufdringlich zu sein – die wenigen Bild- und Schlagwort-Projektionen waren so überflüssig wie die Maschinenpistolen als Tanzrequisiten – reflektiert die Magdeburger Inszenierung von Regisseur und Bühnenbildner Ulrich Schulz pure Gegenwart. Der Schleiertanz zum Beispiel endet im „Club“ und die streng religiösen Herren tragen am Ende konfessionsübergreifend kaum noch Wäsche. Salome kommt im gothic-rockigen Protestlook aus einer der üblichen Partys ihrer Eltern in den zum Gefängnis umfunktionierten Hinterhof der Villa. Treppen und Kellerdächer bieten verschiedene Spielebenen, auf denen das dekadente Unglück seinen Lauf nehmen kann.

Anfangs gibt Serfling den Teenager, der sich auf der Party langweilt und den eigentümlichen Propheten einfach spannender findet. Sehr allmählich und schleichend zeigt ihr Spiel in Schulz‘ Regie ihre Radikalisierung. Jochanaan fasziniert sie in seiner fundamentalistischen Unbeirrbarkeit, die sich in ihrem Kopf in eine krude Erotik umdeutet.

Salomes Gesang gerät ins Bezirzen, Verhöhnen, ins Locken und Schwärmen. Sie öffnet sich, will beachtet, endlich einmal von jemandem „gesehen“ werden. Jochanaan, einfach überwältigend stimmgewaltig Sangmin Lee, indes trötet unbeirrt im Dur-und-Blech-Panzer. Er ist das Andere in Richard Strauss‘ flirrend lebendiger orientalischer Klangwelt. Bei Herodes, Herodias, Salome, beim schwärmenden Narraboth, selbst bei den sturen Soldaten und den palavernden Juden klingt die Musik stets uneindeutig, in den Tonarten changierend, in den Klangfarben irisierend. Wie das Leben eben so ist.

Jochanaans Klangwelt ist Fundamentalismus. Aus der üblichen Deutung, diese Figur als Boten eines reinen religiösen Neuanfangs neben die dekadente Herodes-Welt zu stellen, ist die Magdeburger Regie vollends ausgestiegen. Jochanaan ist der salafistische Prediger des Lebensfeindlichen, Frauenverachtenden, er fordert Verschleierung, er singt von der Wüste und vom Töten „und sie werden Steine nehmen und sie steinigen!“. Hierauf und nicht aus perversem Todesgelüst fasst Salome ihren fatalen Entschluss. Am Ende werden Spießer sie steinigen.

Herodes, von Manfred Wulfert charaktertenoral schön nervös, prahlerisch, auch lüstern gesungen, ist am Boden zerstört, als er Salomes Mordswunsch erfüllen muss. Herodias lässt sich indes ein Törtchen schmecken. Dieses siegessicher-schräge königliche Weib ist mal wieder eine Rolle wie gemacht für Undine Dreißig.

Leider nahm Kimbo Ishii am Pult der Magdeburgen Philharmonie wenig Rücksicht auf Dreißig und Wulfert, denn dieses Herrscherpaar hat in eiferndem Parlando viel Text zu singen, den man bei voller Orchesterdröhnung einfach nicht versteht. Jonathan Winell, Narraboth, übertönte das Orchester mit seiner Heldenstimme indes leicht, Stine Marie Fischer hielt als Page eher tapfer dagegen.

Gelegentlich genüsslich zu laut, aber von einer Farbenpracht und flirrenden Intensität das Orchester unter Kimbo Ishii. Er ließ seine Musiker sozusagen von der Leine und disponierte doch sehr zielführend. Alle, aber insbesondere die Holzbläser boten eine großartige Leistung. Das Publikum war begeistert.

Nächste Vorstellungen: 12. Mai, 19.30 Uhr, 3. Juni, 16 Uhr, Opernhaus Magdeburg.