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Theater-Premiere King Kong als neuer Opernheld

Am Theater Magdeburg feierte am Sonnabend „Die wahre Geschichte von King Kong“ Uraufführung - als Oper neu komponiert, mit allen Schikanen.

Von Claudia Klupsch 17.03.2019, 23:01

Magdeburg l King Kong als Oper? Dieser grotesk-alberne Stoff um den Mega-Affen von der Leinwand, der sich in eine kreischende Blondine verliebt und den böse Menschen vom Empire State Building schießen? Dafür das Brimborium vierjähriger Zusammenarbeit von Theater und Puppentheater der Stadt samt Kompositionsauftrag? Für leichte Unterhaltung? Nein. Die Magdeburger Version ist alles andere als leicht.

Die Kammeroper, erschaffen vom renommierten Komponisten Jeffrey Ching und inszeniert von Librettistin bzw. Regisseurin Roscha A. Säidow, setzt eine spannende Sicht auf King Kong frei, auf einige der in 75-jähriger Geschichte der Figur abgelesene politische Interpretationen. Sie bietet moderne Opernmusik mit hervorragenden Sängern und Musikern.

Die Idee: Ein mystisches Weltgericht arbeitet King Kongs Tod auf, Beteiligte wie der Filmregisseur, die blonde Frau Ann und Kong selbst liefern ihre Version der Geschichte. Bisher unbekannte Figuren sind hinzugedichtet.

Alles andere als leicht ist es, der Aufführung zu folgen. Ein Feuerwerk an zeitgleich einprasselnden Eindrücken aus Bildern, Spiel, Musik und Gesang gilt es zu verkraften. Bühnenbauerin Julia Plickat hat links und rechts „Zeugenstände“ gezimmert. In ihnen stecken die Sänger, sie agieren aber auch abwechselnd frei auf der Bühne.

Zentrales Element ist die riesige Videoleinwand, auf der sowohl kunstvolle Filmsequenzen von Roman Hagenbrock als auch Live-Einspieler zu sehen sind. Kameratechnik ist es, die Bilder aus den Miniaturwelten überträgt, die Puppenbauerin Magdalena Roth auf die Bühne stellte – samt Puppenfiguren, geführt von Spielern des Puppentheaters.

So ist gleich doppelt verbildlicht – in Film und Puppenspiel –, wie etwa Ann durch den Dschungel irrt und sich Kong anbiedert, weil sie meint, sie sei als Schönste dem König bestimmt. Die im Vergleich zum Original modifizierte Figur thematisiert Gier und Geltungssucht.

Lauren Urquhart ist eine Ann, der Kostümbildnerin Kerstin Schmidt ein Monroe-Outfit verpasst hat. Ebenso voller Gier und Ruhmessucht die Figur des Filmregisseurs Dan, den Tenor Bradley Smith gibt. Ein reizendes Paar, insbesondere beim Fressgelage im Film. Gegenspielerin Miranda, Kongs eigentliche Braut, stimmt als Betrogene ein Klagelied an, zu Herzen gehend vorgetragen von Andión Fernández. Auch der Kellner auf der von Besuchern heimgesuchten Kong-Insel, gesungen von Tenor Kim Schrader, klagt an: Tourismus zerstört Traditionen.

Es steckt so viel im King-Kong-Stoff, das ganze Themenabende gefüllt werden können: Zerstörung der Lebensräume von Naturvölkern, vom Westen angezettelte Kriege und die scheinbar nie zu besiegende Rassendiskriminierung. „Das Städtchen soll bleiben wie es ist“, heißt es im vertonten Text. Kein Platz für King Kong in der neuen Welt. Ablehnung des Fremden, des Andersartigen. „King go home!“ James Bobby zeigt den verzweifelten Migranten Kong, der keine Chance auf Job und Zugehörigkeit hat. Auch auf der Magdeburger Bühne stürzt King Kong vom Empire – in der Miniaturwelt. Im Dschungel, in seiner Welt war er riesig – gleich drei Puppenspieler bewegten Kopf und Hände.

Schräge Musik zur schrägen Story. Alle Sänger singen vernehmlich und kraftvoll, in klaren Höhen und warmen Tiefen, die Damen zuweilen gewollt schrill, bis ins Mark zielend. Es ist wahre Sangeskunst, im eigenwilligen Klanggebilde zu bestehen, das die Musiker der Magdeburgischen Philharmonie, dirigiert von Kiril Stankow, mit ihren Instrumenten formen. „Polymorph pervers“, findet der Komponist selbst. Es ist keine liebliche Musik, die in die Ohren dringt. Diese Musik muss man idealerweise mögen, bestenfalls sich darauf einlassen. Schreiende Geigen, Pauken und Trompeten, Sirenen- und Glockenklänge, Gezupftes und Geklopftes. Stile sind zu erahnen – etwa Rituelles im Dschungel und Jazziges in New York, Barockes zum Finale („Menschheit vergib“).

Alles andere als leicht, die Kammeroper „Die wahre Geschichte von King Kong“ am Theater Magdeburg. Anstrengend, überfordernd zuweilen, dennoch beeindruckend, weil ungewöhnlich und erhellend. Tipp: auf dieses Werk einlassen!