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Theaterfestival Im Kosmos der Puppen und Objekte

Das Puppentheater ist Gastgeber für das Figurentheaterfestival „Blickwechsel“. Eine Woche Programm. Was sollte man sehen? Sieben Tipps.

Von Grit Warnat 14.06.2016, 01:01

Magdeburg l La Notte, die an zwei Tagen stattfindende große Eröffnungsveranstaltung mit mehr als 120 Puppen- und Figurenspielern, Straßentheaterkünstlern und Musikern aus ganz Europa, ist kein Geheimtipp mehr. La Notte ist mit der elften Auflage des Festivals längst zur Tradition geworden. Der theatrale Auftakt steht bereits für die Vielfalt und Ideenfreude des Puppen-, Objekt- und Figurentheaters und soll einstimmen auf eine intensive und lebendige Festivalwoche. Die Qual der Wahl ist groß. Ein Wegweiser.

Akram Khan ist einer der Großen des Tanzes – spätestens seit seiner Show zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in London 2012. Da hatte der Tänzer und Choreograf eine Milliarde Zuschauer auf der ganzen Welt. Jetzt erzählt der Brite in Magdeburg mit seiner Inszenierung „Chotto Desh“ erstmals auf einer deutschen Bühne seine semi-autobiografische Geschichte von Kindheit und Erwachsenwerden zwischen Europa und Asien. Magdeburgs Ballettchef Gonzalo Galguera ist beglückt über den Auftritt der Company jenes Tänzers, den er vor 15 Jahren persönlich kennengelernt hat. „Seine Arbeit hat mich fasziniert“, sagt Galguera. „Er ist ein großer Kenner und seit langem ein Begriff im ethnisch-modernen Tanz.“ Akram Khan, in London geboren, Sohn von Einwanderern aus Bangladesch, für seine Arbeit bereits vielfach ausgezeichnet, zelebriere zeitgenössischen Tanz mit Folklore, bleibe dabei sich und seiner Tradition ohne jegliche Kommerzialisierung treu, sagt Galguera. Er spricht vom großen Glück, diese Company in Magdeburg sehen zu können.

28. Juni, 19.30 Uhr, und 29. Juni, 17 Uhr, Opernhaus, 50 Minuten.

Auf Kollisionskurs geht eine niederländische Truppe BOT mit ihren Fallrohren, rostigen Ölfässern, klappernden Eisenbeschlägen und maschinenähnlichen Apparaten. Ramkoers (zu deutsch Kollisionskurs) ist verrückter Sound aus Schrott-Instrumenten und ein Mix aus Objekttheater, Konzert und Performance. Das Puppentheater nennt den Auftritt von Ramkoers den heimlichen Festivalauftakt. Wer mag, kann bei Youtube reinhören ins Abenteuer.

26. Juni, 20 Uhr, Schauspielhaus, Große Bühne

Das Staatliche Puppentheater Plovdiv, das älteste Ensemblepuppentheater Bulgariens, kommt mit „Immured“ (Eingemauert) nach Magdeburg. Aufgegriffen wird eine alte Legende, wonach jede Brücke ein menschliches Opfer fordert, um unvergänglich zu werden. Das fordert einen hohen Preis vom Brückenmeister Manol: Er soll Körper und Geist seiner Geliebten einmauern.Ausdrucksstarke Körper in den Elementen Wasser und Stein in einer deutschen Erstaufführung.

27. Juni, 19.30 Uhr,Schauspielhaus

„Das Lumpenpack von San Cristobal“ des Materialtheaters Stuttgart ist eine Festivalproduktion des Puppentheaters mit dem Zentrum für Figurentheater Stuttgart und dem Théâtre Octobre Brüssel. Der gebürtige Katalane Alberto García Sánchez hat Regie geführt in dem Stück um Solidarität und Eigensinn und blickt auf das heutige Europa. Hilfesuchende Menschen finden Schutz auf einem Friedhof, deren Hinterbliebene die neue Lebendigkeit keineswegs nur gutheißen. Der Konflikt spitzt sich zu. Eine von zwei Uraufführungen beim Festival.

29. Juni, 19.30 Uhr, Puppentheater, Saal. 70 Minuten

Erstmals beim Figurentheaterfestival zu Gast ist der Israeli Ariel Doron. „Plastik Heroes“ heißt seine Arbeit, für die er einen Tisch zum Schlachtfeld umfunktioniert. Dorons Akteure sind Kinderspielzeug: Soldaten, Waffen, Hubschrauber, ein Plüschtiger. Das Puppentheater sagt: „Geschaffen für das unschuldige Spiel der Kinder, begegnen diese Figuren hier der brutalen Realität des Krieges. Sie bringen Sehnsüchte, Gewalt, Sex, Hass und Angst aufs grotesk-komische Tableau.“

28. Juni, 18 Uhr und 22.30 Uhr, Puppentheater Kleine Bühne, 45 Minuten

Eine Zugfahrt ins KZ als Puppenschauspiel und Objekttheater. Magdeburgs Puppentheater-Kollegen aus Gera beschäftigen sich in ihrem Stück „Die große Reise“ mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Vergangenheit. Jorge Semprún, der 2011 verstorbene spanische Autor, der gegen das Vergessen schrieb, schildert in dem gleichnamigen autobiografisch geprägten Roman seine fünftägige Fahrt in einem Viehwaggon ins KZ Buchenwald. Anderthalb Jahrzehnte später hat er seine Erlebnisse literarisch verarbeitet. Aufführungsort ist ein Speicher im Wissenschaftshafen. Die Zuschauer sitzen auf Holzbänken.

29. Juni, 21.30 Uhr, 30. Juni, 11 und 18 Uhr, Wissenschaftshafen, Speicher B, 70 Minuten

Feikes Huis aus den Niederlanden zeigt mit „Rothko Chapel“ eine deutsche Erstaufführung in Magdeburg. Ausgangspunkt ist der Künstler Mark Rothko (1903-1970), der vor allem durch seine großformatigen Ölgemälde bekannt und dem zu Ehren in Houston eine Kapelle gebaut wurde. Der Avantgarde-Komponist Morton Feldman hat dafür ein gleichnamiges Musikwerk geschaffen. In „Rothko Chapel“ werden Musik und Malerei in einer Video-Installation vereint. Thematisiert wird der Wert der Kunst nach dem Horror des Holocaust. Deutsche Erstaufführung.

29. Juni, 18 Uhr, 30. Juni, 18 und 22.30 Uhr, Theater Grüne Zitadelle, 30 Minuten