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Weltkulturerbe Zweite Chance für Naumburg

Unesco-Komitee entscheidet im polnischen Krakau über Vergabe von Welterbetitel.

Von Petra Buch 29.06.2017, 23:01

Naumburg/Krakau (dpa) l Punkt 12 Uhr: Jeden Tag, seit 100 Tagen, wird am Wenzelsturm in Naumburg zur Mittagszeit an einer Uhr öffentlichkeitswirksam die Zeit zurückgedreht. Die Uhr zählt die Tage, die es noch dauert, bis das Unesco-Komitee zusammenkommt. Auf ihrer Tagung ab Sonntag in Krakau (Polen) wollen die Mitglieder des Gremiums aus 21 Staaten darüber entscheiden, welche Stätten in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen werden. Die Entscheidung des Gremiums wird voraussichtlich zwischen dem 7. und 9. Juli fallen.

Naumburg ist einer der drei Antragsteller aus Deutschland. Mit der Bewerbung „Der Naumburger Dom und die hochmittelalterliche Kulturlandschaft an Saale und Unstrut“ geht es im Kern – und im zweiten Anlauf – um den Dom. Die Kathedrale zählt laut Experten zu den bedeutendsten mittelalterlichen Bauten und ist bekannt für die zwölf lebensnah geschaffenen Stifterfiguren. Dazu gehören die Skulpturen der Uta von Ballenstedt (vermutlich 1000 bis 1046), der angeblich schönsten Frau des Mittelalters, und Ekkehard II. (um 985 bis 1046), Markgraf von Meißen.

Deutschland hat für „Die Höhlen der ältesten Eiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb“ auch eine Neuaufnahme in die Unesco-Welterbeliste beantragt. Zudem geht es um eine Erweiterung des Titels für Bauhausstätten in Weimar und Dessau.

Naumburg sieht seine Bewerbung unerschütterlich als große zweite Chance. „Die Stimmung ist sehr, sehr gut“, sagt Helga Heilig, Sprecherin des Naumburger Fördervereins, der den Antrag gestellt hat. „Das Wichtigste ist, dass man den Status bekommt und damit argumentieren kann, das ist für die Menschheit geschützt“, sagte sie. Der seit 1972 von der Kulturorganisation der Vereinten Nationen vergebene Welterbetitel ist nicht mit Geld verbunden, gilt als wichtig für Marketingstrategien des Tourismus und für die Denkmalpflege. Für Naumburg wäre es „das Sahnehäubchen obendrauf“, sagt Heilig mit Blick auf über 1000 Jahre Weinbau und 100 Jahre Fremdenverkehr in der Saale-Unstrut-Region und auf Hoffnungen für mehr Fördergelder für die Wirtschaft.

2015 hatte das Unesco-Komitee (Paris) die Bewerbung aus Naumburg abgelehnt – mit der Bitte um Überarbeitung. Zu wissenschaftlich und zu lang war den Experten die Erstfassung. Der 2000 Seiten starke Antrag wurde laut Heilig „zusammengeschrumpft auf wesentliche Aussagen“. Insgesamt 41 Stätten in Deutschland sind bisher in der Unesco-Welterbeliste eingetragen, rund um den Globus sind es laut Römer 1052 in 165 Ländern.

Sachsen-Anhalt gilt als üppig bestückt mit Welterbestätten in Deutschland. Dazu gehören auch die Fachwerkstadt Quedlinburg (Landkreis Harz) und das Dessau-Wörlitzer Gartenreich.

Die Naumburger argumentieren mit Hilfe wissenschaftlicher Expertisen unermüdlich, dass es ihnen nicht nur um den Dom, sondern um mehr als 3000 Monumente und kulturlandschaftliche Elemente aus der Zeit des Hochmittelalters geht, die sich entlang der beiden Flüsse befinden. „Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es auf engem Raum eine so hohe Dichte“, sagte Heilig.

Mit dem Welterbetitel verpflichten sich die jeweiligen Länder, die Stätten zu schützen und für künftige Generationen zu bewahren. Das Welterbekomitee überprüft dies regelmäßig. Wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke wurde der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal der 2004 verliehene Status 2009 aberkannt.