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Aufstand der Geschichten Chemnitz: Mit Kunst gegen einseitiges Bild der Stadt

In den vergangenen Wochen gab es in Chemnitz nur ein beherrschendes Thema: die Diskussion über Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Engagierte Bürger wollen mithilfe von Kunst und Aktionen zeigen, dass die Stadt auch ein anderes Gesicht hat.

Von Claudia Drescher, dpa 02.11.2018, 09:32

Chemnitz (dpa) - Nein, in Chemnitz wird am Sonntag nicht gewählt. Trotzdem bietet sich der dort geborene Schriftsteller Stefan Heym ab Samstag als wählbare Alternative.

Mit Plakaten, die wie Wahlwerbung daherkommen, wirbt das Festival "Aufstand der Geschichten" vor dem Karl-Marx-Denkmal um Publikum.

Zuletzt brannten sich dort ganz andere Szenen ins Gedächtnis, als es zu fremdenfeindlichen Protesten kam. Nun wollen engagierte Chemnitzer bis Mitte November mit Theaterstücken, Filmen, Lesungen, Ausstellungen und vielfältigen Kunstaktionen ein anderes Bild ihrer Stadt zeigen.

Eröffnet wird das Festival mit einer neuen Kunstbiennale am Samstag von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) im Staatlichen Museum für Archäologie (smac). In Zusammenarbeit mit dem Theater Chemnitz kommen mit dem "Aufstand der Dinge" Chemnitzer Maschinen und Alltagsgeräte zu Wort, die ihre Sicht auf die Umbrüche nach 1989 schildern.

Es sind jene unausgesprochenen Erfahrungen, die bis in die aktuelle Debatte hinein reichen, sagte Projektleiter Franz Knoppe. "Unsere Idee ist es, Umbruchgeschichten jenseits der Rechts-Links-Debatte zu erzählen und auf diese Weise vielleicht Antworten auf heutige Fragen zu finden." Mit einer Vorlaufzeit von mehr als einem Jahr könne der "Aufstand der Geschichten" vom 3. bis 10. November als Nachlese der Ereignisse von August zeitlich nicht passender sein.

Auch die zeitgleich stattfindende Biennale "Pochen" will bis zum 18. November in die Stadtgesellschaft hineinwirken, wie Mitorganisatorin Doreen Mölders sagte. Mit Malerei, Installationen, Klang, Worten oder auch Licht wolle man zukünftig im Zweijahresrhythmus künstlerisch Themen aufgreifen, die mit Chemnitz, den Chemnitzern, ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vor allem aber mit der Identität der Stadt verbunden seien.

Zum Auftakt widmet sich das ehrenamtlich arbeitende neunköpfige Team der Wismut, die zu DDR-Zeiten Uran förderte. Ausstellungsorte sind die Hartmannfabrik, das Archäologie-Museum oder auch die Galerie Borssenanger. Aber auch die Fassade des Chemnitzer Hauptbahnhofs oder eines Kaufhauses in der Innenstadt werden zur künstlerischen Spielwiese.

Ganz bewusst wolle man Gegenwartskunst zeigen, die keine intellektuellen Kopfschmerzen verursache. "Es geht nicht darum, dieses durchaus konfliktbeladene Thema Wismut zu erklären, sondern mithilfe der Kunst neue Zugänge zu schaffen", erläuterte Mölders, die als Kuratorin arbeitet. Die Biennale wolle unterhalten und auch ganz bewusst ablenken. "Die Stimmung hier in der Stadt war im August ziemlich bedrückend. Langsam hebt sie sich wieder, aber das Brodeln spürt man täglich unter der Oberfläche."

Um miteinander statt übereinander zu reden, geht es bei dem Aufstand-Festival zudem um Menschen mit Migrationshintergrund - etwa in einem Pop-up-Store im Gewand eines Schönheitssalons. Beim Haare-schön-machen sollen im durchmischten Stadtteil Sonnenberg Alteingesessene und Geflüchtete ins Gespräch kommen, hoffen die Festivalmacher um Franz Knoppe.

Und nicht zuletzt kommt Stefan Heym (1913-2001) zu Wort: Der Chemnitzer Schriftsteller kehrt als junger und alter Heym in Gestalt zweier lebensecht gestalteter Puppen in seine Geburtsstadt zurück. Am 7. und 9. November geht es um die Frage, was er und seine Stadt sich heute zu sagen hätten.

Aufstand der Geschichten

Multimediale Biennale Pochen