Werbepost treibt Halberstädter Rentnerpaar in Verzweiflung / Sparsamer Umgang mit Daten Abzocke hinter dem Millionen-Versprechen
Unerwünschte Werbepost mit einem Versprechen von mehreren Millionen Euro. Viele kennen das. Jetzt hatte ein Ehepaar aus Halberstadt viel Ärger damit.
Halberstadt (dapd) l Beim Gang zum Briefkasten wird es Klaus-Dieter Marquardt aus Halberstadt jedes Mal mulmig. Wie viele unangenehme Werbebriefe werden es wohl diesmal wieder sein?, fragt er sich. Aus Australien, Asien, Österreich, einfach aus der ganzen Welt erreicht den Rentner und seine Frau täglich ungewollte Post. An manchen Tagen seien bis zu acht Werbebriefe im Kasten, sagt Marquardt. Seit fünf Jahren bekommt das Seniorenpaar diese Briefe. Tag für Tag verheißen sie Auto- und Geldgewinne, aber auch erotische Artikel werden den Marquardts aufgedrängt.
Verbraucherschutz zählt im Monat etwa 100 Beschwerden
"Wenn das alles stimmen würde, was uns da jedes Mal versprochen wird, wären wir schon Milliardäre", sagt Marquardt bitter, der in vielen Briefen dazu aufgefordert wird, einen bestimmten Geldbetrag zu überweisen, damit ihm der versprochene Gewinn zugeschickt werden könne.
Marquardt sei kein Einzelfall, sagt die Juristin der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt in Halle, Simone Meisel. Mindestens 100 Menschen kämen monatlich in die Beratungsstellen des Landes, um sich über Werbepost zu beschweren. Die Versprechen über Millionengewinne seien meist eine Abzocke der Absender. Hinter den Werbebriefen verstecke sich oftmals die klassische Kaffeefahrt, bei der die Verbraucher genötigt würden, überteuerte Waren zu kaufen.
Andere Firmen gehen Meisel zufolge mit einer Einschüchterungstaktik vor, welche die Verbraucher verunsicherten. "Es gibt Firmen, die drohen den Briefempfängern Gebühren oder Strafgelder an, falls der versprochene Gewinn nicht abgeholt wird", berichtet die Verbraucherschützerin. So wollen die Werber Menschen zu einer Verkaufsveranstaltung oder ähnlichem locken. Die Expertin rät, Werbebriefe zu ignorieren. Auf keinen Fall sollte auf diese Schreiben geantwortet werden. Über den klassischen Adressenhandel kämen die Firmen an die Anschriften ihrer Opfer. Deshalb sollten Verbraucher sehr sparsam mit den eigenen Daten umgehen.
Der Datenmissbrauch und die Werbung führen nach Angaben der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt die Liste der Themen bei der Rechtsberatung an. Während im Jahr 2010 der Anteil der Beratungen in diesem Bereich noch bei 22 Prozent lag, stieg er im vergangenen Jahr auf 26 Prozent. Auch Marquardt hat sich mit seinem Problem bereits an die Verbraucherschützer gewandt. Bei der Polizei und der Post habe er auch schon um Hilfe gebeten, sagt der Rentner.
Persönlich adressierte Sendungen müssten zugestellt werden, betont die Sprecherin der Deutschen Post in Berlin, Anke Baumann. Aufkleber oder Hinweise "Keine Werbung einwerfen", die manch einer an seinen Postkasten anbringt, gelten für Wurfsendungen und Handzettel, aber nicht, wie im Fall Marquardt, für namentlich adressierte Briefe. "Die Dienstleister haben eine Zustellpflicht", sagt Baumann.
Für die Marquardts in Halberstadt sieht Verbraucherschützerin Meisel nur noch den zeit- und kostenintensiven Weg, jede einzelne Werbefirma schriftlich aufzufordern, die Zusendung von Material zu unterlassen. Dies sei den beiden älteren Menschen aber nicht zuzumuten, sagt sie. Vielleicht könnten andere Menschen die beiden unterstützen.
Inzwischen hat der Frust über die Werbepost bei den Senioren auch gesundheitliche Spuren hinterlassen. "Meine Frau ist mit den Nerven am Ende", erklärt der 75-Jährige. Er selbst halte die Situation ebenfalls nicht aus. Nach einem einwöchigen Klinikaufenthalt habe das Paar bei der Post "eine große Obststiege voller Briefe" abholen müssen, erzählt Marquardt und fügt frustriert hinzu: "Ich kann doch nicht den Postkasten zukleben."