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Aufgesattelt Unterwegs mit einem Bikepacking-Rad

Fahrradreisen sind das eine. Doch wer jenseits ausgebauter Radwege über Stock und Stein touren möchte, dem bietet sich Bikepacking an. Die wildere Reiseform, mit dem passenden Fahrrad.

Von Stefan Weißenborn, dpa 27.07.2021, 12:19
Leichtes Equipment wie dieses nur knapp 800 Gramm wiegende Ein-Mann-Zelt sind in der Lenkerrolle gut untergebracht. Lenken lässt sich das Finder so noch ganz normal.
Leichtes Equipment wie dieses nur knapp 800 Gramm wiegende Ein-Mann-Zelt sind in der Lenkerrolle gut untergebracht. Lenken lässt sich das Finder so noch ganz normal. Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Berlin - Bikepacking ist das Backpacking des Radelns. Mit möglichst leichtem Gepäck geht es auf Fahrradtour, auf Entdeckungstour durch die Natur.

Dabei geht die Strecke „mitunter durch schweres Geläuf“, sagt Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad (pd-f). „Und genächtigt wird naturnah.“ Unter dem Tarp, in der Hängematte, in einem Ein-Personen-Zelt.

Erfunden wurde das Bikepacking in den USA. Bei Mountainbike-Langstreckenrennen fragte man sich irgendwann: wohin mit dem Gepäck, ohne dabei die Geländetauglichkeit des Vehikels zu beeinträchtigen? Und kam auf die Idee, Taschen, nicht an einem Gepäckträger, sondern direkt am Rahmen zu fixieren.

Heute bieten Hersteller wie Vaude, Ortlieb, Revelate, Blackburn, Evoc, Topeak oder Restrap vielfältige Taschenlösungen fürs Bikepacking an. Und noch immer werden Mountainbikes zum Backpacking genutzt. Es gibt aber auch Hersteller, die die Idee der Reisefahrräder fortentwickeln, um deren Terrain Richtung Abenteuer zu verschieben - zum Beispiel Velotraum mit seinem Modell Finder FD2, das mit voller Taschenmontur für einen Trip bereitsteht.

Der Einsatzzweck: Das Modell Finder FD2 biete „den immer individuelleren Vorstellungen vom Unterwegssein mehr Freiräume“, schreibt der Hersteller mit Sitz in Weil der Stadt bei Stuttgart auf seiner Website. Geschäftsführer Stefan Stiener sagt, fürs Bikepacking sei das Finder prädestiniert und wirbt mit „Da-komme-ich-durch-Eigenschaften“. Er führt Robustheit und Strapazierfähigkeit des Alurahmens und der Teile an, allen voran der Breitreifen. Anders ausgedrückt: Beim Finder handelt es sich um ein Reiserad, das einem Mountainbike zum Verwechseln ähnlich sieht.

Die Technik: Es unterscheidet sich im Detail. Um sowohl die Ansprüche eines Reiserads wie zugleich eines Bergrads zu erfüllen, bietet das Finder neben geländetauglichen, also breiten Stollenreifen (Schwalbe Rocket Ron 27,5x2,5) viele Aufnahmen am Rahmen: Am Unterrohr können oben wie unten Halterungen für Taschen oder Trinkflaschen angebracht werden. Entsprechende Bohrungen finden sich auch an den Sitzstreben und an der Starrgabel. Eine Federgabel - beim MTB Standard - ist am Reiserad unpraktisch, da selten für die Gepäckaufnahme geeignet.

Am Testrad ist eine Nabenschaltung der norwegischen Marke Kindernay montiert. Die bietet 14 hydraulisch angesteuerte Schaltstufen, darunter auch sehr leichtgängige Berggänge mit Untersetzung. Kindernay wirbt damit, gegenüber der deutschen Konkurrenz Rohloff die leichtere Nabe anzubieten: 1,5 Kilo. Rohloffs Speedhub 500/14 kommt auf knapp 200 Gramm mehr. Velotraum erwägt, die norwegische Nabe, die zudem mit Steckachsen kompatibel ist, in der kommenden Saison am Finder anzubieten.

Der Fahreindruck: Velotraum legt beim Finder den Fokus allerdings nicht auf Leichtbau, sondern auf Belastbarkeit. An Reiserädern variiert das Gesamtgewicht allein mit dem Wasservorrat oft um mehrere Kilogramm. Je nach weiterer Ausstattung wiegt das Finder mit Getriebenabe laut Hersteller zwischen 15 und 17 Kilo. Das zulässige Gesamtgewicht mit Fahrer und Gepäck liegt bei 130 Kilo.

Mit Sack und Pack kommt das Bike während der Testfahrten auf 27 Kilo. Ist viel Ladung an Bord, neigen Fahrräder zu unkontrolliertem Fahrverhalten. Doch wer die Bikepacking-Taschen richtig belädt - schweres Gut sollte in Schwerpunkt- oder Achsnähe verstaut werden - spürt hier beim Handling kaum Beeinträchtigungen.

Das Mehrgewicht trägt eher dazu bei, dass sich das Finder mit seinen Stollenreifen fast stoisch, zumindest viel besser als ein schmaler bereiftes Trekkingrad auch durch sandige Waldwege wühlt und umso weniger an Traktion einbüßt, je weiter die Luftdruckgrenze nach unten ausgereizt wird: Im Gelände sind dank Schlauchlosreifen um 1 bar möglich, auf Asphalt empfehlen sich 1,5 bar, damit sich der Rollwiderstand nicht unnötig zäh anfühlt.

Bauartbedingt fest zupackend verrichten die hydraulischen Scheibenbremsen ihren Dienst. Am Reise-Bike ist das angemessen, da mehr Masse für gleiche Bremswege eine bessere Bremswirkung erfordert. Statt einer Kette, sorgt ein robuster Carbon-Zahnriemen für die Kraftübertragung ans Hinterrad, der nicht geschmiert werden muss - wartungsarm und unempfindlich gegenüber Dreck auf staubigen Abwegen.

Die Nabenschaltung steht dem Finder ebenfalls gut: Weil voll verkapselt, kann auch ihr Staub und Dreck kaum etwas anhaben. Gänge lassen sich im Stand schalten, praktisch, wenn man sich im Sand oder am Hang festfährt. Jedoch arbeitet die - allerdings noch nicht eingefahrene - Kindernay-Nabe am Testrad ziemlich laut.

Ausstattung, Zubehör, Peripherie: Insgesamt zehn Taschen sind am Testrad angebracht, darunter eine an der Sattelstütze (16,5 Liter), die Isomatte und Schlafsack aufnimmt. Vor allem diese muss gut gepackt und mit ihren Bändern ordentlich fixiert werden - sonst wedelt sie spätestens im Wiegetritt hin und her oder knickt ein und schleift am Reifenprofil. Am Taschenmodell am Testrad von Ortlieb lässt sich über ein Ventil zudem restliche Luft ablassen, um die Tasche zu versteifen. Bei knapp über 50 Litern liegt das Stauvolumen am Testrad - genug für eine Mehrtagestour und eine Person.

Am Test-Finder fährt Werkzeug in der Rahmentasche mit. Proviant findet in der linken Gabeltasche Platz, in der rechten Fahrradschloss, Tubeless-Milch, Fahrradbeleuchtung, das Erste-Hilfe-Set. Lenken lässt sich das Finder dennoch gut - auch weil im Bereich des Vorbaus ansonsten nur leichtes Gepäck lagert: in der großen Lenkerrolle (15 Liter): Ein-Personen-Zelt, Regenkleidung, Windjacke, Fahrradweste, Merino-Unterwäsche, Wechselwäsche; in der Lenkertasche und jederzeit in Griffnähe Badehose, Mikrofaser-Handtücher, Windjacke, Fahrradmütze, Anti-Mückenmittel, Hand-Desinfektionsmittel und Zahnbürste.

Das Finder ist mit verschiedenen Schaltungen, Bremsen und weiteren Anbauteilen wie einem Gravel-Lenker oder Bikepacking untypischen Dingen wie Federgabel, Gepäckträger, Schutzblechen und Beleuchtung konfigurierbar. Velotraum bietet das Modell sowohl mit einer 2x11-Kettenschaltung von Shimano (SLX), einer Getriebeschaltung von Pinion als auch der erwähnten Rohloff-Nabe an.

Anders als die meisten MTBs (29 Zoll), rollt es 27,5-Zoll-Laufrädern. Die Schlauchlosreifen erlauben nicht nur geringeren Luftdruck, auch kleine Durchstiche sind oft kein Problem, weil die Dichtmilch diese wieder verschließt. Ein Ersatzschlauch, der dennoch zum Pflichtgepäck zählt, muss nicht gleich eingezogen werden.

Der Preis: Das speziell konfigurierte Testrad mit Kindernay-Nabe (1499 Euro zuzüglich Montage im Laufrad), Carbon-Gabel, Carbon-Riemen, Tubeless-Reifen, Mini-Luftpumpe und Sram-Felgenbremsen sowie weiteren Modifikationen kommt auf rund 4750 Euro. Die Bikepacking-Taschen schlagen mit Einzelpreisen von 40 bis 140 Euro nochmals mit rund 600 Euro zu Buche. Als vorkonfiguriertes Fahrrad kostet das Finder mit einer 2x11 Kettenschaltung (SLX von Shimano) ab 2700 Euro.

Das Fazit: Reiseräder sind teuer, da macht auch das Finder FD2 keine Ausnahme. Doch unterscheidet es sich durch seine Nähe zum MTB und der Geländetauglichkeit von vielen Modellen am Markt. Da es zugleich Packesel-Qualitäten mit sich bringt, steht dem nächsten Bikepacking-Abenteuer nichts mehr im Wege.