Hohe Zinssätze bei Dispokrediten Banken kassieren kräftig ab
Das Überziehen seines Girokontos kommt den Bankkunden teuer zu stehen: Deutschlandweit kassieren Banken nach Ansicht der Stiftung Warentest unverschämt hohe Dispozinssätze von 11 Prozent und mehr, vor allem kleine Institute langen zu. Das hat eine neue Untersuchung für die Zeitschrift "Finanztest" ergeben. Das Magazin hat im Test 992 Institute befragt.
Berlin (rgm/dapd). Dabei zeigt sich: Üblich sind hohe Zinssätze zwischen 11 und 13 Prozent. Bei 21 der befragten Institute müssen die Kunden sogar 14 Prozent und mehr für die Überziehung berappen. Im Test waren die überregionalen Groß- und Direktbanken ebenso wie die regionalen Sparda- und PSD-Banken, außerdem die 431 Sparkassen und die jeweils 250 größten und 250 kleinsten der 1154 Volks- und Raiffeisenbanken.
Die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken sind im Durchschnitt etwa einen hal?ben Prozentpunkt teurer als die Großbanken. Doch Warentest vermutet, dass das nur die Spitze des Eisberges ist: 153 Sparkassen und 286 Volks- und Raiffeisenbanken haben auf die Anfrage der Verbraucherschützer gar nicht reagiert. So finden sich in der Liste unter anderem keine Angaben der Volksbank Gardelegen, der Volks- und Raiffeisenbank Eisleben und der Volks- und Raiffeisenbank Zeitz.
Manche Institute nahmen sogar ihren Preisaushang aus dem Internet, nachdem die Verbraucherschützer sie gebeten hatten, ihnen die Daten zu bestätigen. In drei der besonders dreisten Banken – die Raiffeisenbanken Travemünde, Gefrees bei Bayreuth und Bissingen im Westen Bayerns – hat "Finanztest" Rechercheure geschickt, um den Preisaushang vor Ort zu dokumentieren.
Auch die Schlusslichter der Untersuchung aus dem vergangenen Jahr langen nach wie vor kräftig zu: Die Targobank, ehemals Citibank, verlangt bei einem ihrer Kontomodelle 16,99 Prozent Dispozinsen. Die Santander Consumer Bank nimmt 16,98 Prozent, wenn der Kunde mit mehr als 1000 Euro verschuldet ist.
Dabei spricht vieles dafür, dass die Banken die Dispozinsen deutlich senken könnten. Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins im Zuge der Finanzmarktkrise von 4,25 Prozent im Oktober 2008 auf ein historischen Tief von 1 Prozent im Mai 2009 gesenkt. Dort steht er bis heute. Beim Dispo rührt sich derweil wenig, die Banken geben die Leitzinssenkung nicht vollständig an ihre Kunden weiter.
In Deutschland steht etwa jeder sechste Bankkunde mit seinem Konto im Minus, wie die Gesellschaft für Konsumforschung berichtet. Das läppert sich: Die Bundesbank gibt das Volumen der Überziehungskredite für Mai dieses Jahres mit 41,6 Milliarden Euro an – davon machen die Dispokredite den Löwenanteil aus. Gemessen an dieser Summe kostet jeder Prozentpunkt, um den der Zinssatz nicht gesenkt wird, die Bankkunden 416 Millionen Euro im Jahr.
Ein neues Gesetz soll die Banken im Zaum halten. Im Juli hat der Bundestag die Verbraucherkreditrichtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht gegossen. Die Banken müssen nun für ihre Dispozinsen einen Referenzzins nennen. Die Idee: Ändert sich der Referenzzins, soll das auch der Dispozinssatz tun. Die Banken können also nicht mehr willkürlich an der Zinsschraube drehen.
Doch so ein Referenzwert hängt meistens stark vom Leitzins der Europäischen Zentralbank ab. Wie der Leitzins sind auch die Referenzwerte im Keller. Die Dispozinssätze aber sind nach wie vor oben. Ausgerechnet jetzt zurren die Banken den Abstand zwischen Dispozinssatz und Referenzwert fest. Damit blühen den Bankkunden vermutlich noch höhere Zinsen. Denn steigen die Referenzwerte aus ihrem Tief, dürfen auch die Dispozinssätze wieder steigen.
Doch der Test zeigt auch: Es geht günstiger. Die Direktbanken und die regionalen PSD-Banken sind oft nicht ganz so teuer. Und auch einige Filialbanken machen der Branche vor, dass Zinssätze von weniger als 10 Prozent möglich sind.
Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen will diese Zinspolitik der Banken nicht länger dulden. Sie werde gegen die Sparda Bank Münster und die Targobank klagen, weil deren Klauseln zur Zinsanpassung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen die Kunden benachteiligten, wie die Verbraucherzentrale mitteilte. Der Spitzenverband der Deutschen Kreditwirtschaft, der Zentrale Kreditausschuss (ZKA), will die Kritik der Verbraucherschützer dagegen nicht gelten lassen. Das Angebot eines Dispokredits sei nur als Überbrückung für einen kurzen Zeitraum gedacht, für längerfristige Finanzierungen sollten Kunden Konsumentenkredite nutzen, hieß es. Die hohen Zinsen seien durch die hohe Flexibilität des Dispos und das erhöhte Ausfallrisiko begründet.
Dispositionskredit: Überziehen Sie Ihr Girokonto nie für längere Zeit, denn kein Kredit ist so teuer wie der Dispo. Sprechen Sie mit Ihrer Bank, wenn Ihre Schulden überhand nehmen. Manchmal können Sie dann den Dispokredit in einen Ratenkredit umwandeln – mit geringeren Zinsen.
Alternativen: Häufig ist ein Abrufkredit günstiger als der Dispo. Einen Abrufkredit können Sie bei jeder Bank beantragen. Die Bank gewährt Ihnen einen Kreditrahmen, den Sie beliebig ausschöpfen können. Genau wie beim Dispokredit sind die Zinsen variabel, die Zinsen können also jederzeit steigen. Ähnlich günstig ist der Ratenkredit. Laufzeit, Zins und monatliche Rückzahlung stehen von vornherein fest.
Kontowechsel: Kehren Sie Ihrer Bank den Rücken, wenn Sie sich über hohe Zinsen ärgern.
Ihre Bank: Sie können "Finanztest" helfen, den Banken auf die Schliche zu kommen, deren Dispozinsen die Tester nicht per Abfrage ermitteln konnten. Im Internet sehen Sie unter www.test.de/dispozinsen, ob Ihre Bank im Test war und ob dort noch Angaben fehlen. Ein Preisaushang in jeder Filiale ist jedoch Pflicht. Schicken Sie eine Kopie des Preisaushangs an: Stiftung Warentest, Abteilung Finanzdienstleistungen, Stichwort "Dispo", Lützowplatz 11-13, 10785 Berlin.
Das vollständige Ergebnis der Untersuchung finden Sie auf den Internet-Seiten der Stiftung Warentest unter www.test.de.