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Kein Helau und Alaaf? Corona macht Karnevalisten Kopfschmerzen

Gute Laune und menschliche Nähe sind wesentliche Zutaten für Fastnacht und Karneval. Doch in der Corona-Pandemie sind Schunkeln und Feiern ohne Distanz tabu. Ausfallen soll die fünfte Jahreszeit trotzdem nicht.

Von Jan Brinkhus, dpa 20.08.2020, 12:27
Andreas Arnold
Andreas Arnold dpa

Köln/Mainz (dpa) - Man stelle sich einen Rosenmontagszug vor, bei dem Wagen und Musiker auf der Straße stehen, während die Zuschauer links und rechts vorbeimarschieren. Wer glaubt, diese Idee sei ein schlechter Scherz von Karnevalisten, liegt falsch.

Denn dieses Szenario gehört in den närrischen Hochburgen am Rhein tatsächlich zu den ernsthaft diskutierten Vorschlägen, wie man trotz Corona Fastnacht oder Karneval feiern könnte.

Eines scheint jetzt schon klar: Die fünfte Jahreszeit, die zum Lebensgefühl vieler Menschen gehört, wird diesmal nicht in gewohnter Form stattfinden können.

Normalerweise würden Millionen Zuschauer zu den Rosenmontagszügen allein im Rheinland erwartet. Rosenmontag ist 2021 am 15. Februar. Doch Bilder von Arm in Arm schunkelnden Menschen, Bonbons, die in Menschenmengen fliegen oder Bützchen (Küsschen) verteilenden Narren sind wegen der Corona-Ansteckungsgefahren nicht vorstellbar. Und dann noch der Alkohol...

Zwar ist bis zum 11.11. und dem offiziellen Startschuss für die "Kampagne" oder "Saison" noch ein bisschen hin, aber die gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln stellen Karnevalisten jetzt schon vor Herausforderungen.

Noch frisch in Erinnerung ist die Karnevalsfeier im nordrhein-westfälischen Heinsberg, die inzwischen als "Superspreader-Event" gilt. Mitte Februar hatten sich dabei viele Menschen mit dem Virus infiziert, der ganze Kreis wurde in der Folge zu einem der ersten Corona-Hotspots in Deutschland. Virologen warnen davor, dass sich so ein Ereignis wiederholt - dann könnte die Pandemie zumindest regional schnell außer Kontrolle geraten.

Also am besten doch radikal durchgreifen und alle Karnevals- und Fastnachtsfeiern absagen? "Ich war selbst Kinderprinz und komme aus einer Karnevalshochburg. Ich weiß also, wie wichtig Karneval für viele Millionen Deutsche ist. Aber: Ich kann mir Karneval in diesem Winter, mitten in der Pandemie, schlicht nicht vorstellen. Das ist bitter, aber so ist es", wurde Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jüngst von der "Rheinischen Post" zitiert. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte am Donnerstag: "Es wird Karneval, wie wir ihn kennen, dieses und nächstes Jahr nicht geben."

Von einer Komplettabsage halten die Narren in den Hochburgen jedoch nichts. Fastnacht sei ein Feiertag wie Ostern, das könne ja nicht einfach ausfallen, sagt der Sprecher des Mainzer Carneval-Vereins (MCV), Michael Bonewitz. "Man muss halt überlegen, was man macht stattdessen?" Der MCV organisiert unter anderem den Mainzer Rosenmontagszug. Derzeit arbeiten der Verein und die Stadt Mainz an einem Konzept, das aber weit über den Rosenmontag hinausgeht. Schließlich gibt es ja auch noch die Fastnachtssitzungen in Sälen, bei denen die Menschen üblicherweise dicht an dicht sitzen und schunkeln. Das ist diesmal ausgeschlossen.

Denkbar sei etwa, dass weniger Zuschauer in die Säle gelassen werden, sagte Bonewitz. "Wobei da die Frage ist: Lohnt sich das überhaupt noch?" Die Sitzungen sind eine wichtige Einnahmequelle für die Vereine, aber eben auch ein finanzielles Risiko - Saalmiete, Technik, aber auch Büttenredner müssen bezahlt werden. Alternativ wird auch über Veranstaltungen im Freien oder reine Online-Streaming-Angebote nachgedacht. Bonewitz sagte, er rechne frühestens im November mit einer Entscheidung, ob und wie Veranstaltungen stattfinden könnten.

Auch bei der von Millionen Menschen geguckten Fernsehfastnachssitzung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" ist nach Angaben des SWR noch ungewiss, ob sie 2021 über die Bühne gehen kann.

Auch in Köln gehen die Überlegungen in die Richtung, was an Alternativen möglich ist. "Der Straßenkarneval, der Kneipenkarneval, das sind so Elemente, die wir uns nicht vorstellen können", sagte der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, dem Radiosender WDR2. Anders sei es bei Karnevalssitzungen mit Hygienekonzept. Man könne ja auch mit Maske in ein Restaurant gehen und diese dann am Platz abnehmen.

Die NRW-Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf, Bonn und Aachen haben gemeinsam eine Art Leitfaden erarbeitet, an dem sich feiernde Karnevalisten orientieren sollen. Die Landesregierung soll diese Empfehlungen nun prüfen. Dabei geht es um ganz konkrete Fragen: Welchen Abstand haben Büttenredner zum Publikum? Wie weit müssen die Bläser im Orchester von den anderen Musikern und den Gästen im Saal entfernt sitzen? Wie viele Menschen dürfen in einen Saal? Wo könnte getanzt werden? Was auch immer dabei herauskommt - ausgelassene wie unbeschwerte Karnevals- und Fastnachtsfeiern werden wohl erst nach Ende der Corona-Pandemie wieder möglich sein.

© dpa-infocom, dpa:200820-99-239205/3

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MCV Mainz