Gespräch mit dem Präsidenten der Zahnärztekammer / Dr. Frank Dreihaupt : "Einen pauschalen Preis für Zahnreinigung gibt es nicht
In einer Studie zur Professionellen Zahnreinigung ( PZR ) in Deutschland will das Internetportal geld. de herausgefunden haben, dass diese privat zu
bezahlende Leistung in
Sachsen-Anhalt vergleichsweise teuer ist. Zocken die Zahnärzte hierzulande ihre Patienten ab ? Ist es überhaupt sinnvoll, dafür Geld auszugeben ? Anja Hintze sprach darüber mit dem
Präsidenten der Zahnärztekammer, Dr. Frank Dreihaupt.
Volksstimme : Verlangen die Zahnärzte in Sachsen-Anhalt zu viel Geld für die Professionelle Zahnreinigung ?
Dr. Frank Dreihaupt : Ich bin überzeugt, dass das nicht der Fall ist. Wie die Urheber der Studie zu den Zahlen kommen, erscheint mir höchst fragwürdig, ja sogar unseriös. Denn einen pauschalen Preis für die PZR, den die Praxis womöglich auch noch am Telefon benennen kann, gibt es nicht. Diese Leistung, die von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt wird, muss der Zahnarzt nach der staatlichen Gebührenordnung, der GOZ, abrechnen. Und die verpflichtet ihn, das Honorar individuell nach dem jeweiligen Aufwand und Schwierigkeitsgrad zu berechnen.
Dabei spielen die Zahl der Zähne, das Alter des Patienten und die medizinischen und zahnmedizinischen Risikofaktoren und natürlich der hygienische Zustand in der Mundhöhle eine Rolle. Aber auch der Standard der Praxis – hier vor allem die Qualifikation der Praxismitarbeiter und die technische Ausstattung – fließt mit ein. Die PZR kann also bei jedem Patienten und in jeder Praxis einen anderen Preis haben.
Volksstimme : Die Urheber der Studie meinen, dass eine Zahnreinigung nicht mehr als 60 Euro kosten sollte. Manche Zahnärzte bieten sie angeblich auch für 20 Euro an. Welche Kosten halten Sie für angemessen ? Wann sollten Patienten misstrauisch werden ?
Dreihaupt : Ein Richtwert, der für alle gilt, lässt sich nicht festlegen. Für 20 Euro allerdings, dessen bin ich mir sicher, kann man keine vollwertige professionelle Zahnreinigung bekommen. Die Bundeszahnärztekammer wertet regelmäßig die anonymisierten GOZ-Abrechnungsdaten von Praxen aus der ganzen Bundesrepublik aus und hat dabei ein durchschnittliches Honorar für die PZR von 77 Euro ermittelt. Aber im konkreten Fall sagt einem eben der Durchschnitt naturgemäß wenig.
Volksstimme : Laut der Studie wollten manche Zahnärzte den Patienten zu einem Praxisbesuch vor der eigentlichen Zahnreinigung überreden. " Beratungssitzung und Putzsitzung – das bringt den Zahnärzten das doppelte Honorar ", wird behauptet. Ist das so ?
Dreihaupt : Vor Beginn einer Privatleistung müssen Zahnarzt und Patient einen Behandlungsvertrag schließen, in dem sie den Umfang der Leistung und das Honorar vereinbaren ; dabei ist durchaus auch die mündliche Vereinbarung bindend. Ohne den individuellen Behandlungsbedarf festgestellt zu haben, kann man logischerweise weder den Leistungsumfang noch das Honorar beziffern. Eine vorherige Kontrolle und Beratung ist also unumgänglich. Sie wird in der Regel bei dem alljährlichen Zahnarztbesuch erfolgen, den unsere gesetzlich versicherten Patienten als " Bonus-Stempel-Kontrolle " kennen und wahrnehmen.
Volksstimme : Wie finden Patienten einen Zahnarzt mit gutem Preis-Leistungsverhältnis ?
Dreihaupt : Ich glaube nicht, dass Patienten nur für die PZR den Zahnarzt wechseln, wenn der andere vielleicht zehn oder zwanzig Euro weniger berechnet, und dann wieder zur Zahnbehandlung zu ihrem Zahnarzt gehen. Ein gutes " Preis-Leistungs-Verhältnis " beim Zahnarzt bedeutet für mich, dass der Patient sich zahnmedizinisch gut versorgt fühlt, dass er sicher ist, mit seinen Sorgen ernstgenommen zu werden, und dass er dem Zahnarzt und seinem Team vertraut. Ein freundliches und hochqualifiziertes Team, das professionell seine Arbeit tut, gehört mit dazu, aber auch die Höhe der Honorare, die er ja auch von anderen Privatleistungen schon kennt – der Patient steuert ja auch bei anderen Leistungen einen Eigenanteil bei, der durchaus von Praxis zu Praxis unterschiedlich sein kann.
Daraus ergibt sich, dass es keine Listen mit Preisvergleichen für die PZR geben kann – jedenfalls keine seriösen.
Volksstimme : Wie oft sollte man zur PZR ? Für wen ist sie nicht empfehlenswert ?
Dreihaupt : Die Häufigkeit kann der Zahnarzt nur individuell empfehlen. Als allgemeine Prophylaxemaßnahme, die – übrigens wissenschaftlich nachgewiesen – das Risiko für Karies und Parodontitis senken hilft, können ein bis zwei PZR im Jahr völlig ausreichend sein. Für Patienten, die zu eigenständiger gründlicher Zahn- und Mundpflege nicht ( mehr ) in der Lage sind, empfiehlt die Wissenschaft mittlerweile eine deutlich höhere Anzahl, wenigstens vier pro Jahr.
Die Reduzierung der Keimzahl in der Mundhöhle hat nachweislich positive Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit : Bei Patienten in Pflegeheimen beispielsweise wurden weniger Fiebertage und eine geringere Anfälligkeit für Lungenentzündung beobachtet. Auch in der Schwangerschaft nützt die PRZ, um einer Parodontitis vorzubeugen ; denn Parodontitiskeime verstärken das Risiko für Frühgeburten und Untergewichtigkeit.
Volksstimme : Die Urheber der Studie werfen deutschen Zahnärzten vor, zu viel Werbung für Prophylaxe zu machen. Deshalb seien die Wartezimmer voll mit " vorbeugenden Patienten ". Was sagen Sie dazu ? Welche vorbeugenden Maßnahmen sind außer der PZR sinnvoll ?
Dreihaupt : Ich denke nicht, dass man für Prophylaxe zu viel Werbung machen kann ; schon der Volksmund sagt : Vorbeugen ist besser als heilen ! Und die Zahnmedizin ist gerade ein Bereich, der deutlich zeigt : Vorbeugen bringt tatsächlich und sehr unmittelbar Erfolg. Der Vorwurf, wir Zahnärzte wollten damit unsere Wartezimmer füllen, ist schon paradox ; denn bisher hieß es, unsere Prophylaxe-Bemühungen seien nicht ehrlich gemeint, weil wir damit leere Wartezimmer bekämen.
So sieht es in Wirklichkeit aus : Die Zahl der Patienten, die Prophylaxe betreiben wollen, wächst erfreulicherweise. Sie nehmen dazu das Wissen der Zahnarztpraxen mit in Anspruch. Viel mehr Patienten als noch vor zwanzig, dreißig Jahren behalten ihre eigenen Zähne bis ins hohe Alter.
Es zeigt sich aber, dass dadurch Behandlungsbedarf in ein höheres Lebensalter verschoben wird und auch neuer Bedarf entsteht. So hat die Mundgesundheitsstudie des Instituts der deutschen Zahnärzte von 2006 einen Anstieg parodontaler Erkrankungen bei Senioren um 24 Prozent seit 1997 ermittelt.
Die meisten prophylaktischen Maßnahmen, die wir unseren Patienten empfehlen und ihnen erläutern, finden übrigens zu Hause statt : beim täglichen Zähneputzen, bei der Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasten, der Anwendung von Hilfsmitteln für die Reinigung von Zahnzwischenräumen und der " zahngesunden " Ernährung. Das muss man an 365 Tagen im Jahr machen, damit es hilft.
Der jährliche Kontrollbesuch und die PZR sind nur ein Teil der Maßnahmen, wenn auch ein wichtiger.