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Falsche Freunde? Wenn sich Eltern um Kind und Clique sorgen

Muss es ausgerechnet die stadtbekannte Party-Clique sein? Nicht immer sind die Eltern einverstanden mit den Freunden ihrer Kinder. Oft treibt sie die Angst vor schlechtem Einfluss um. Doch wann dürfen - oder müssen - sie sich einmischen?

Von Eva Dignös, dpa 20.11.2015, 04:00

Hamburg (dpa/tmn) - Neuerdings raucht die Tochter, weil alle Freundinnen es auch tun. Und der Sohn zockt stundenlang beim Nachbarsjungen Ballerspiele. Eltern treibt in solchen Situationen schnell die Angst um, dass ihr Kind die falschen Freunde hat.

Dass der Einfluss der Gleichaltrigen die Regeln, die bisher in der Familie galten, in Frage stellt. Vor allem für Jugendliche sind Gleichaltrige tatsächlich sehr wichtig, sagt Diplom-Psychologe Andreas Engel von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Deren Einfluss aber sei grundsätzlich erst einmal positiv. Es ist wichtig für die Entwicklung der Kinder, über den Horizont der Familie hinauszublicken. Der Kontakt zu Freunden hilft den Kindern, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, sagt er.

Je älter die Kinder werden, umso größer ist der Stellenwert der Freunde. Im Kindergartenalter bedeutet Freundschaft vor allem physische Gemeinschaft: Freunde sind die Kinder, mit denen man viel Zeit verbringt, erklärt Marion Pothmann, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche in Hamburg und Autorin des Buchs Kinder brauchen Freunde.

Das kann heute Max sein und morgen Anna. Ab dem Grundschulalter rücken ähnliche Interessen mehr und mehr in den Vordergrund. Max und Anna schauen schon genauer hin, mit wem sie befreundet sein möchten. Und Kinder im Grundschulalter managen ihre Freundschaften selbstständig. Nicht die Eltern machen die Spieltermine aus, sondern die Kinder nehmen das immer mehr selbst in die Hand.

Freundschaften zu schließen, heißt, Menschen genauer zu durchleuchten, sagt Maria von Salisch, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Lüneburg: Man wird zunächst einmal aufgrund von Äußerlichkeiten aufeinander aufmerksam, sucht dann nach Gemeinsamkeiten, sieht sich gleichzeitig nach Alternativen um. Das sei die erste soziale Leistung außerhalb des Schutzraums der Familie.

Je älter die Kinder werden, umso weniger spielt sich ihre Freizeit mit Freunden im Elternhaus ab. Jugendliche treffen sich in der Stadt, im Sportverein, kommunizieren via Smartphone - die Freunde werden zur unbekannten Größe für die Eltern. Wer neugierig nachbohrt (Was macht ihr eigentlich die ganze Zeit?), bekommt selten eine zufriedenstellende Antwort. Das kann Ängste schüren.

Umso wichtiger ist es, vom frühen Kindesalter an eine Gesprächskultur in der Familie zu entwickeln, rät Psychologin Marion Pothmann. Wer es gewohnt ist, dass in der Familie erzählt und zugehört wird, der wird auch als Jugendlicher vielleicht nicht von allen, aber doch von manchen Erlebnissen mit der Clique erzählen. Oder die Freunde doch mal mit nach Hause bringen. Oft erweisen sich elterliche Sorgen als unbegründet, wenn man sich persönlich kennengelernt hat, sagt Erziehungsberater Andreas Engel.

Den Einfluss der Eltern auf die Freundschaften ihrer älteren Kinder hält die Entwicklungspsychologin Maria von Salisch ohnehin für begrenzt. Natürlich sei es schmerzhaft zu erleben, wenn eine Freundschaft missbraucht wird oder zerbricht. Aber auch das ist eine wichtige Erfahrung. Aber was, wenn Eltern einfach nicht mehr zuschauen und hoffen können, dass ihre Kinder die Situation allein regeln? Wenn beispielsweise Drogen im Spiel sind oder Gewalt.

Verbote sollten, wenn überhaupt, die letzte Notlösung sein, sagt Marion Pothmann. Verbote sind problematisch, weil sie vor allem bei Jugendlichen Trotzreaktionen hervorrufen: Wenn die Eltern die Freunde verbieten, werden sie erst so richtig interessant.

Stattdessen gilt auch hier: Miteinander reden, fragen, warum das Kind so gern mit dem Freund zusammen ist, die eigenen Sorgen äußern. Manchmal helfe es auch, Erinnerungen an die eigene Jugend zu aktivieren, sagt Erziehungsberater Andreas Engel: Fast jeder wird als Kind mit seinen Eltern schon über richtige und falsche Freunde gestritten haben.

Weniger offensichtlich falsch, aber trotzdem schmerzhaft können einseitige Freundschaften sein, in denen einer den anderen dominiert und klein hält. Das merkt man daran, dass das Kind sich unsicherer verhält, nicht mehr mit seinen anderen Freunden spielt, erzählt Marion Pothmann. Dann gehe es darum, dem Sohn oder der Tochter zu helfen, sich aus der Bindung zu lösen und neue Freundschaften zu schließen.

Ganz so einseitig sind die Machtverhältnisse jedoch selten. Die These, dass die eigenen Kinder verführt wurden, entlastet, ist aber in der Regel zu einfach, sagt Andreas Engel. Manchmal sind nämlich nicht nur die anderen die falschen Freunde - sondern auch die eigenen Kinder.

Service:

Anonyme und kostenfreie Online-Beratung für Jugendliche und Eltern: http://www.bke-beratung.de/

Literatur:

Marion Pothmann: Kinder brauchen Freunde. Soziale Fertigkeiten fördern, Klett-Cotta Verlag 2010, 26,95 Euro, ISBN-13: 978-3608890921

Bundeskonferenz für Erziehungsberatung