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Präparate sind für gesunde Menschen unnötig / Zunächst Ursache für Vergesslichkeit finden Gegen das Vergessen hilft Ginkgo begrenzt

24.03.2012, 03:19

Mancher gibt viel Geld für Vitamine und Co. aus. Auch rezeptfreie Ginkgo-Extrakte verkaufen sich gut, sollen sie doch den Geist fördern und Demenz vorbeugen. Aber was ist dran an dem vermeintlichen Wundermittel?

Erlangen/Krefeld (dapd) l "Genutzt wird ein Extrakt aus der Ginkgo-Pflanze, meist aus den Blättern", sagt Kay Brune, Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: "Es ist tatsächlich so, dass der Extrakt den Blutfluss unter bestimmten Bedingungen verbessern kann." Daraus werde fälschlich geschlossen, dass auch die Durchblutung im Gehirn und damit die Gedächtnisleistung optimiert werden könne. Aber es gibt laut Brune nur eine einzige Doppelblindstudie - bei der weder Arzt noch Patient wissen, ob die Scheinmedikation oder das wirkliche Medikament eingenommen wird -, die einen positiven Effekt festgestellt hat.

"Mehrere andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass Ginkgo-Extrakte keine fördernde Wirkung auf die Gedächtnisleistung oder andere Gehirnfunktionen haben." Um von einem Erfolg zu sprechen, müsse das Ergebnis der Studien, der sogenannte Outcome, ganz eindeutig positiv sein, erklärt Brune: "Der Mensch muss mit dem Präparat also länger, gesünder und besser leben als ohne. Und es lässt sich nicht messbar zeigen, dass Ginkgo das erfüllt."

"Viele Menschen machen sich Sorgen um ihr Gedächtnis und nehmen Ginkgo, um einer Demenz vorzubeugen", sagt Psychologin Brigitte Grass-Kapanke, Leiterin des Gerontopsychiatrischen Zentrums in Krefeld. "Aber wer nachweislich kein Defizit hat, der braucht auch keine Medikamente zu nehmen. Ab und an etwas zu vergessen, ist nicht schlimm, das geht allen so und muss nicht behandelt werden." Zur Vorbeugung sei es einfacher, sich gesund und ausgewogen zu ernähren und regelmäßig an der frischen Luft spazieren zu gehen sowie soziale Kontakte zu pflegen.

Was aber, wenn sich die Betroffenen oder auch Angehörige und Freude sorgen, dass die Häufung der Gedächtnisprobleme krankhaft sein könnte? "Dann ist der einzig richtige Schritt, zu einem Arzt, in eine Gedächtnissprechstunde oder eine Memory Klinik zu gehen", betont die Psychologin. Denn für kognitive Aussetzer müsse vor einer Behandlung zunächst die Ursache gefunden werden. Nicht immer sei nämlich eine Demenz dafür verantwortlich. "Wer vergesslich ist, kann auch einfach gestresst sein, es kann eine Depression dahinterstecken oder der Hormonhaushalt kann durcheinandergeraten sein", sagt Grass-Kapanke. Und je nach Ursache seien die Behandlungsmethoden andere.

"Ist aber wirklich eine Demenz ursächlich, kann Ginkgo eine von mehreren anerkannten Behandlungsmethoden sein", sagt Grass-Kapanke. Ginkgo könne dann auch vom Arzt verschrieben werden, so dass die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Möglich sei aber auch, dass messbare Gedächtnisstörungen vorliegen, deren Ausmaß noch nicht die Diagnose einer Demenz rechtfertigen - eine sogenannte leichte kognitive Beeinträchtigung. "In diesem Fall wünschen viele Betroffene eine vorbeugende Behandlung mit Ginkgo-Präparaten", weiß Grass-Kapanke aus der Praxis. Diese muss dann aber vom Pa-tienten selbst bezahlt werden.

"Es nützt überhaupt nichts, ab und an mal ein bisschen Ginkgo-Extrakt zu nehmen, wenn man gerade mal den Schlüssel verlegt hat", sagt die Psychologin. "Wenn man sich zur Behandlung mit Ginkgo entschließt, sollte die tägliche Dosis entsprechend der aktuellen Studienlage bei 240 Milligramm liegen."