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Kein Anspruch auf Anerkennung, wenn der neue Partner der Ehefrau rechtlich als Vater gilt Gericht weist Klagen leiblicher Väter ab

23.03.2012, 03:19

Bislang stand der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg oft auf Seiten der leiblichen Väter. Nun stellen die Richter klar: Diese haben keinen Anspruch auf den Rechtsstatus als Vater, wenn das Kind in einer bestehenden Familie lebt.

Straßburg (dpa) l Leibliche Väter haben nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht in jedem Fall Anspruch auf rechtliche Anerkennung der Vaterschaft. Der Straßburger Gerichtshof wies gestren zwei Klagen von Männern aus Deutschland ab, die als Vater anerkannt werden wollten - betonte aber zugleich, dass auch der biologische Vater grundsätzlich ein Recht auf Umgang mit dem Kind hat. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) denkt über Gesetzesänderungen nach.

Die Magdeburger Rechtsanwältin Sonja Kaufholz zum Spruch der Richter: "Mit diesem Urteil hat der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte den beiden deutschen Gerichten, Kammergericht Berlin und Amtsgericht Bielefeld, bescheinigt, dass sie die Fälle sorgfältig geprüft hatten und dass der bestehende Familienverband zwischen dem betroffenen Kind und seinem rechtlichen Vater, der sich regelmäßig um das Kind kümmert, Vorrang hat gegenüber der Beziehung zwischen dem (angeblichen) leiblichen Vater und seinem Kind. Artikel 8, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens normiert, ist durch die Entscheidung für die soziale Familie nicht verletzt, da niemals eine enge persönliche Bindung zwischen den Beschwerdeführern, also biologischen Vätern, und den Kindern bestanden hatte."

Nach deutschem Recht kann der biologische Vater die Vaterschaft nicht einklagen, wenn zwischen dem offiziellen Vater und dem Kind eine "sozial-familiäre Beziehung" besteht. Diese Regelung verletze weder das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens noch verstoße sie gegen das Diskriminierungsverbot, entschied der EGMR.

Spielraum bei Beurteilung

Die Mitgliedstaaten der Menschenrechtskonvention - darunter Deutschland - hätten in solchen Fällen einen weiten Beurteilungsspielraum. Der Gesetzgeber habe sich entschieden, dem bestehenden Familienverband zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater Vorrang zu geben gegenüber der Beziehung zum leiblichen Vater. (Beschwerdenummer 45071/09 und 23338/09)

Der EGMR hatte zuletzt in mehreren Entscheidungen die Position leiblicher Väter gestärkt, wenn es darum ging, die Kinder zu sehen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Die nun entschiedenen Klagen hätten jedoch ein weitreichenderes Ziel gehabt, so der Gerichtshof: "Sie waren auf ihre vollständige Anerkennung als rechtlicher Vater des jeweiligen Kindes ausgerichtet und somit darauf, die Vaterschaft des existierenden rechtlichen Vaters anzufechten."

Die Konventionsstaaten seien zwar verpflichtet, den Umgang des leiblichen Vaters mit dem Kind zu ermöglichen, wenn dies im Interesse des Kindeswohls liege, so der EGMR. "Daraus folgt aber nicht notwendigerweise eine Verpflichtung (...), biologischen Vätern die Möglichkeit einzuräumen, den Status des rechtlichen Vaters anzufechten."

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte: "Jetzt gilt es zu entscheiden, inwieweit dem biologischen Vater punktuell Kontaktmöglichkeiten einzuräumen sind." Was das Sorgerecht unverheirateter Eltern angeht, ist derzeit ohnehin ein Gesetzentwurf in Arbeit.

Im ersten Fall hatte der in Berlin lebende Kläger ein halbes Jahr lang eine Beziehung zu einer Frau, die mit einem anderen Mann zusammenlebte. Ein paar Monate später bekam sie eine Tochter. Der mit ihr zusammenlebende Freund erkannte die Vaterschaft an, das Mädchen wächst bei den beiden auf. Der heute 41-Jährige zog vor Gericht. Ein Gutachter bestätigte seine leibliche Vaterschaft. Doch die deutschen Richter wiesen die Klage ab: Es bestehe eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind. Störungen sollten im Interesse des Kindes vermieden werden.

Im zweiten Fall hatte ein ebenfalls 41 Jahre alter Mann aus Willich in Nordrhein-Westfalen geklagt. Er war mit der Mutter des Kindes verheiratet, vier Monate nach der Scheidung bekam sie eine Tochter. Mehr als ein Jahr später erklärte sich ihr neuer Partner offiziell zum Vater des Kindes; kurz darauf heirateten die beiden. Auch hier lehnten die deutschen Gerichte die Klage ab. Da das Kind einen rechtlichen Vater habe, habe der Kläger auch kein Recht auf Feststellung seiner Vaterschaft durch einen Gentest. Auch in diesem Punkt bestätigte der EGMR die deutschen Gerichte: Aus der Menschenrechtskonvention folgt kein Recht des mutmaßlichen Vaters auf einen Vaterschaftstest. Das Urteil des EGMR ist noch nicht rechtskräftig. Die Kläger können innerhalb von drei Monaten die Verweisung an die Große Kammer des EGMR beantragen. Seite 5