Caganer "Großes Geschäft" in katalanischen Weihnachtskrippen
Auch Katalanen basteln gerne Weihnachtskrippen. Auf den ersten Blick geht dabei alles mit rechten Dingen zu: Josef und Maria, Jesus und die himmlischen Heerscharen. Aber dann ist da noch etwas Verstörendes.
Barcelona (dpa) - Wer derzeit durch Städte und Dörfer Kataloniens schlendert, kann in manchen Fenstern mit viel Liebe zum Detail aufgebaute Weihnachtskrippen bewundern. Bei genauerem Hinschauen aber wird der Fremde zunächst seinen Augen nicht trauen.
Während Maria das Jesuskind getreu nach Lukasevangelium in Windeln wickelt und die von den Engeln herbeigerufenen Hirten artig vor der Krippe knien, sitzt irgendwo im Gelände eine Figur in der Hocke. Und zwar mit heruntergelassenen Hosen und einem großen braunen Haufen unter dem blanken Hintern. Der Caganer, der mitten in der Heiligen Nacht in Sichtweite des Heilands sein großes Geschäft verrichtet. Wie bitte?
Wer hier einen derben Seitenhieb rebellischer Katalanen auf die Kirche, gar Gotteslästerung vermutet, liegt weit daneben. Der Caganer, das Scheißerchen, ist eine jahrhundertealte Tradition in der Region im Nordosten Spaniens. Ihr Ursprung liegt im Dunkel der Geschichte, es wird vermutet, dass sie im Barock Ende des 17. Jahrhunderts aufkam. Ursprünglich handelte es sich um einen Bauern in der traditionellen katalanischen Tracht mit roter Mütze, der Barretina, weißem Hemd, Schärpe um den Bauch und schwarzer Hose.
Auch in anderen Regionen und Ländern, die in der Vergangenheit von katalanischer Kultur beeinflusst wurden, findet sich die Figur. So in Valencia südlich von Katalonien, dort heißen sie Cagones, im süditalienischen Neapel ist der Pastore che caca oder Cacone bekannt und in Frankreich hört er auf den Namen Père la Colique, ist dort aber eher ein entfernter Verwandter des deutschen Räuchermännchens, nur dass es hinten qualmt und sich eine wurstähnliche Schlange bildet. Aber die Hochburg des Caganers ist eindeutig Katalonien, die Region um Barcelona.
Die Verrichtung der Notdurft wird dabei als Symbol des ewigen Kreislaufs des Lebens interpretiert, die Düngung des Bodens der Krippe, die damit hoffentlich auch im nächsten Jahr wieder in voller Schönheit entstehen möge. Ein frühes Symbol der Kreislaufwirtschaft sozusagen.
Früher wurden die Figuren in den Krippenlandschaften eher versteckt, standen etwas abseits gerne hinter Mäuerchen oder Holzstapeln. Für die Kinder war es dann eine Gaudi, den Caganer zu finden. Und das ist gar nicht so einfach, denn die Pessebres de Nadal, wie die Weihnachtskrippen auf Katalanisch heißen, sind zum Teil sehr groß. Dargestellt wird nicht nur die Szene im Stall selbst, sondern ein ganzer Ort, so wie sich der jeweilige Erbauer Bethlehem vor 2000 Jahren vorstellt, mit Feldern, Büschen, Holzstapeln, den Hirten mit ihren Schafen auf dem Felde, gerne auch mit Ochse sowie Hühnern und den Heiligen Drei Königen. Genug Platz, um den Caganer nicht so leicht auffindbar zu machen.
Neueren Ursprungs ist, dass nicht nur ein Bauer dargestellt wird, sondern Prominente aus allen Bereichen der Gegenwart herhalten müssen. Und versteckt werden sie auch nicht mehr. Politiker wie Joe Biden und Angela Merkel - dieses Jahr natürlich korrekt mit Mund- Nasenschutz - David Bowie, Lionel Messi, sogar die Simpsons, Son Goku, Pippi Langstrumpf, Playmobil-Figuren und den außerirdischen ET gibt es in hockender Position beim irdischen Geschäft. Nur der braune Haufen ist bei allen gleich.
Jedes Jahr kommen zwischen 30 und 40 neue Figuren hinzu. Dieses Jahr haben es der bisher recht glücklose neue Trainer des FC Barcelona, Ronald Koeman, Barça-Jungstar Ansu Fati und in Corona-Zeiten natürlich jede Menge medizinisches Pflegepersonal mit Maske und Handschuhen in die Krippenlandschaften geschafft. Auch noch dabei ist Donald Trump, dem die Macher kurzerhand die ihm doch so ungeliebte Maske umgebunden haben.
Wer will und rechtzeitig bestellt, kann sogar ein Foto seiner Lieben einschicken und bekommt dann personalisierte Caganer-Figuren. Ärger muss man nicht erwarten, denn die Caganer gelten als Glücksbringer und es ist eine Ehre, als Scheißerchen dargestellt zu werden. Nicht nur den Papst, sondern sogar Tod und Teufel kann man mit heruntergelassenen Hosen nach Bethlehem versetzen. Die Kirche hat schon lange ihren Frieden mit den Caganern gemacht, die selbst in Gotteshäusern zu finden sind. Sogar Jesus gibt es in der Hocke, nur Gott selbst nicht, da hört der Spaß auf.
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