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Von Pipo-kun bis Kumamon Japan ist ein Imperium der Maskottchen

Sie sind niedliche Wesen und bevölkern ganz Japan: yuru-kyara, Maskottchen. Tausende gibt es in dem fernöstlichen Inselstaat. Und sie haben eine wichtige Mission.

Von Lars Nicolaysen, dpa 13.05.2017, 11:56
Ein absoluter Megastar: Das Maskottchen der Provinz Kumamoto ist ein drolliger Bär. Foto: Lars Nicolaysen
Ein absoluter Megastar: Das Maskottchen der Provinz Kumamoto ist ein drolliger Bär. Foto: Lars Nicolaysen dpa

Tokio (dpa) - Gumma-chan wackelt, winkt und wiegt hin und her. Die flauschige Figur mit den großen schwarzen Knopfaugen und dem massigen Bauch überragt die meisten Passanten an Tokios weltberühmter Luxus-Einkaufsmeile Ginza, doch niemand fürchtet sich vor Gumma-chan.

Im Gegenteil. "Kawaii", niedlich, rufen zwei ältere Japanerinnen entzückt und lassen sich kichernd neben Gumma-chan fotografieren. Gumma-chan ist das Maskottchen der Tokioter Nachbarprovinz Gumma. Es soll ein Pferd darstellen.

Etwas unbeholfen wackelt das Riesen-Plüschwesen vor einer Tourismusfiliale der Provinz auf und ab, um Passanten anzulocken. Was in den Augen westlicher Besucher etwas infantil erscheinen mag, ist aus dem Leben der Japaner nicht wegzudenken.

Tausende von "yuru-kyara" (zu Deutsch etwa "entspannte Figuren"), wie die Maskottchen in Japan genannt werden, bevölkern die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Städte, Provinzen, unzählige Unternehmen, Organisationen und selbst staatliche Ministerien - sie alle haben ein eigenes Maskottchen. Es gibt sogar eigens Schulen für Personen, die in die Kostüme der einzelnen Maskottchen schlüpfen und darin öffentlich auftreten. 

Da wären zum Beispiel Prinz Pickles und seine Freundin Parsley, die Maskottchen des japanischen Verteidigungsministeriums. Wer mag schon beim Anblick dieser beiden Figuren mit ihren "entzückenden großen Augen" und ihrem "liebenswerten Lächeln", so die eigene Beschreibung des Ministeriums, schon daran denken, dass Japan gerade dabei ist, die Rolle seines Militärs angesichts der Bedrohung durch Nordkorea deutlich zu verstärken.

Oder Pipo-kun, das Maskottchen, mit dem sich die Polizei von der süßen Seite präsentieren will. Sein Name setzt sich aus den ersten Silben für das englische "people" (Leute) und "police" (Polizei) zusammen. Pipo-kun ist weder Mensch noch Tier. Seine großen Ohren würden Pipo-kun helfen, Bürger in Not zu hören, seine Antenne, um schnell Ereignisse wahrzunehmen, und seine großen Augen, um "jeden Winkel der Gesellschaft" zu beobachten, schreibt die Polizei in Tokio auf ihrer Internetseite. 

Seit ein paar Jahren gibt es sogar landesweite Abstimmungen über das beliebteste Maskottchen, den sogenannten Yuru-Kyara-Grand-Prix. Doch Maskottchen sind nicht nur süß, hinter den flauschigen Figuren steckt auch ein dickes Geschäft. Denn für Präfekturen wie Gumma sind Maskottchen ein nicht zu unterschätzender Image-Gewinn.

Experten wie Hiroyuki Aihara, Gründer eines zum Spielzeugkonzern Bandai gehörenden Instituts, das sich mit solchen Figuren beschäftigt, erklären die Liebe der Japaner zu Maskottchen mit dem uralten Naturglauben an unzählige Götter. Japaner sähen "selbst in Steinen am Straßenrand und abgestorbenen Baumstämmen" Götter. Und so seien auch Maskottchen letztlich Wesen, in denen die Menschen "Gefühle und Gedanken verkörpert sehen", zitierte ihn einmal die Tageszeitung "Asahi Shimbun".

Sadashige Aoki, Professor an der Hosei Universität und Experte für Medien und Werbung, spricht denn auch von "kleinen Göttern". Zudem spendeten Maskottchen den Japanern angesichts des Stresses in der heutigen Gesellschaft des Landes etwas "Trost".

Der absolute Megastar ist Kumamon, der offizielle Vertreter der Präfektur Kumamoto auf der südlichen Hauptinsel Kyushu. Kumamon ist ein drolliger, etwas tollpatschig aussehender Bär mit roten Backen. Das japanische Wort Kuma, das auch im Stadt- und Präfekturnamen Kumamoto enthalten ist, heißt denn auch Bär. So wie das Wort Pferd im Namen der Präfektur Gumma vorkommt. Kumamon ist für seine Heimatprovinz eine finanzielle Erfolgsgeschichte. Der Bär ist heute auf unzähligen Produkten wie Lebensmitteln, Kleidern, Taschen oder Zügen aus der Provinz Kumamoto zu sehen.

Die Maskottchen-Branche ist so riesig, dass das Finanzministerium vor zwei Jahren eine Kampagne ausrief, um die Zahl der Maskottchen zu reduzieren und überflüssige Ausgaben einzudämmen. Doch nun macht sich die Nation eifrig Gedanken über ein neues Maskottchen: In Kürze beginnt ein öffentlicher Wettbewerb für das offizielle Maskottchen der Olympischen Spiele in Tokio 2020. Im Sommer kommenden Jahres soll es der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Vorstellung des Maskottchens der Polizei

Verteidigungsministerium zu seinen Maskottchen

Webseite zum Maskottchen-Wettbewerb

Das Maskottchen der Provinz Gumma, Gumma Chan (l), und das Maskottchen der Thermalquelle Ikaho Onsen. Foto: Lars Nicolaysen
Das Maskottchen der Provinz Gumma, Gumma Chan (l), und das Maskottchen der Thermalquelle Ikaho Onsen. Foto: Lars Nicolaysen
dpa