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Wie Teams trotz räumlicher Distanz zusammenwachsen / Raum für Persönliches einplanen Mein virtueller Schreibtischnachbar

31.03.2012, 03:21

Viele Firmen sind so vernetzt, dass die einzelnen Büros in ganz Deutschland verteilt sind. Der Kollege sitzt manchmal hunderte Kilometer entfernt. Trotzdem klappt die Zusammenarbeit.

Markt Schwaben/Urbar (dapd) l Manche Leute kennen nur die Stimmen ihrer Kollegen. Obwohl sie täglich mit ihnen zusammenarbeiten, treffen sie die anderen Mitglieder ihres Teams so gut wie nie - weil diese auf verschiedene Städte, mitunter sogar auf verschiedene Länder verteilt sind. "Das Thema virtuelle Teams wird für Firmen immer wichtiger", schildert Personaltrainer Klaus Kissel seine Beobachtungen. Der Grund dafür sei neben der Globalisierung die Tatsache, dass viele Mitarbeiter nicht mehr bereit seien, wegen eines Projekts umzuziehen, sagt der Experte aus Urbar bei Koblenz.

Die Art der Zusammenarbeit ist nicht immer ganz einfach

In solchen Situationen bilden viele Unternehmen ein virtuelles Team, in dem jeder von einem anderen Standort arbeitet und mit seinen Kollegen per Telefon oder Internet kommuniziert. Doch diese Art der Zusammenarbeit ist nicht immer einfach: "In virtuellen Teams kommt es häufig zu Missverständnissen", sagt Gabriele Stöger, Personaltrainerin aus dem bayerischen Markt Schwaben. Das Problem sei, dass sich die Teammitglieder untereinander kaum kennenlernten.

Denn der kurze Plausch in der Kaffeeküche, ein Kuchenbuffet am Geburtstag oder gar ein Feierabendbier - all das ist durch die räumliche Entfernung im Arbeitsalltag unmöglich. "Der private Kontakt mit Kollegen ist jedoch wichtig - er schafft eine angenehme Arbeitsatmosphäre und erleichtert den informellen Austausch auch in geschäftlichen Fragen", sagt die Autorin des Ratgebers "Teams ohne Grenzen". Gebe es eine persönliche Ebene unter den Mitarbeitern, sei es außerdem viel einfacher, Probleme anzusprechen.

In virtuellen Teams sollte man daher andere Wege finden, um ein Wir-Gefühl zu erzeugen. "Man muss sich sozusagen eine virtuelle Kaffeeküche aufbauen", sagt die Expertin. Manche Teams führten eine Art Online-Pinnwand ein. "Darauf können die Teammitglieder Dinge aus ihrem Privatleben mitteilen, beispielsweise Buchtipps, Bilder aus dem letzten Urlaub - Dinge, die man Kollegen im realen Leben auch zeigen oder mitteilen würde", sagt Stöger.

Besonders wichtig für das Kennenlernen sei das Kick-off-Meeting, bei dem zu Beginn der Zusammenarbeit die gemeinsamen Ziele festgelegt werden. "Dafür sollte man sich unbedingt persönlich treffen", sagt Gabriele Stöger. In diesem Rahmen könne man sich darüber unterhalten, was die gemeinsame Vision ist, wie man sein Ziel erreichen möchte und welche Risiken es geben könnte. Jeder Einzelne im virtuellen Team müsse die gemeinsame Richtung kennen, um sie dann allein umsetzen zu können, betont Stöger.

Eine Rückmeldung ist für Kollegen sehr wichtig

"Wichtig ist, dass die Mitarbeiter bei diesem Treffen nicht nur das gemeinsame Projekt, sondern auch die Zusammenarbeit auf Distanz als Herausforderung anerkennen", ergänzt Klaus Kissel. Um diese Herausforderung zu bewältigen, sollte man bei dieser Gelegenheit feste Regeln für die Zusammenarbeit erstellen: beispielsweise, in welchem Fall man eine Mail schickt und wann eine Telefonkonferenz angebracht ist. "Wenn man jemanden nicht gut kennt oder der Sachverhalt besonders komplex ist, ist es immer besser anzurufen", betont Kissel. Denn in der schriftlichen Kommunikation entstehen schnell Missverständnisse, wenn man keine Erfahrung mit den Formulierungen des Kollegen hat.

Eine wichtige Rolle spielt auch der Leiter des Teams. Er sollte immer wieder überprüfen, ob die Zusammenarbeit gut läuft oder ob irgendwo Konflikte entstehen. "Bei jedem Präsenzmeeting gehört eine Feedbackrunde auf jeden Fall dazu", sagt Klaus Kissel. Aber auch zwischendurch sollte der Chef seine Mitarbeiter immer wieder anrufen, um die Grundstimmung einzufangen.

Der Experte empfiehlt Führungskräften, regelmäßig folgende Fragen zu besprechen: Wie sehr identifizierst du dich zurzeit mit dem Projekt? Wie siehst du deine Rolle im Team? Wie kann ich dich unterstützen? Wie kann das Team dich unterstützen? Was kannst du für das Team tun? "Dabei sollte man den Leuten deutlich machen, dass einem dieses Feedback wirklich wichtig ist", betont Kissel.

Auch Gabriele Stöger empfiehlt Führungskräften regelmäßige Anrufe bei den Teammitgliedern. "Am besten plant man dafür feste Zeiten ein", sagt sie. In diesen Gesprächen sollte neben dem Beruflichen aber auch immer wieder Raum für Privates sein: "Man könnte beispielsweise auch mal fragen, wie der Mitarbeiter den Kindergeburtstag seines Sohnes überstanden hat", sagt Stöger.

Der Teamleiter sollte außerdem darauf achten, dass die Teammitglieder auch wirklich zusammenarbeiten, betont die Expertin. "Oft kommuniziert jeder Einzelne nur mit dem Chef und untereinander werden keine Informationen ausgetauscht", sagt Stöger. Daher sei es wichtig, dass der Leiter sich immer wieder fragt, ob er für ein Anliegen eines Mitarbeiters wirklich zuständig ist oder ob sich dieser lieber direkt an einen Kollegen wenden sollte.