Kontakte auf Sparflamme Pandemie macht junge Eltern einsam
Vorbei die Zeiten, in denen Mütter mit Kinderwagen Cafés bevölkerten. In der Corona-Pandemie fällt es vielen jungen Eltern schwer, Gleichgesinnte zu finden und sich auszutauschen. Apps wie etwa "Mello" wollen ihnen das Netzwerken erleichtern.
Berlin (dpa) - Rückbildungskurs, Krabbelgruppe, Treffen mit anderen Müttern oder auch Reisen - der Terminkalender vieler Frauen mit Baby ist normalerweise gut gefüllt und das soziale Netzwerk groß. In der Corona-Pandemie ist das anders.
"Wenn man nicht vorher schon gut vernetzt war, hat man nun keine Chance mehr zum Austausch. Viele Mütter sind ganz einsam", berichtet die Berliner Hebamme Susanne Kreusler. Auch in der Pandemie betreut sie die Mütter zu Hause und ist für viele in den ersten Wochen einer der wenigen Ansprechpartner.
"Ich vermisse den Austausch mit anderen Müttern, das gemeinsame Lachen, Staunen und auch manchmal Weinen in Kursen und Treffs. Auch die privaten Treffen mit anderen Mamis und Babys werden von Ängsten überschattet und immer häufiger seit Beginn der kalten Jahreszeit aus Angst vor Ansteckung abgesagt", berichtet eine Mutter auf dem Blog "Stadtlandmama".
Austausch mit Gleichgesinnten fehlt
Was ihr noch bleibe? Kinderwagenschieben mit Abstand bei großer Kälte. "Und was ist mit den vielen frischgebackenen Mamas, die noch gar keine anderen Mamas zum Spazieren gehen kennen?", fragt sich die Autorin und Mutter dreier Kinder, die anonym bleiben möchte. Von Eltern größerer Kinder und ihren Problemen sei viel in den Medien zu lesen. "Ich glaube, wir Eltern im Babyjahr sind unsichtbar - wir sind einfach zu müde und kaputt, um laut zu werden", so die Mutter.
"Obwohl es zahlreiche Online-Kursangebote vor und nach der Geburt gibt, vermissen die Frauen und Paare doch den Austausch mit Gleichgesinnten", bestätigt auch Katarina Kerlen-Petri vom Berliner Hebammenverband. Was Frauen auch oft fehle, sei Hilfe von der Familie. "Viele hätten gern Unterstützung von den Großeltern oder anderen Familienmitgliedern. Doch oft wohnen diese weit weg, mitunter im Ausland, und können nicht anreisen", berichtet Susanne Kreusler.
Normalerweise unterstützten sich viele Mütter vor allem in Großstädten deshalb gegenseitig, so Kreusler. Die Kurse seien oft eine Art Kennenlernbörse. Kreusler will den Müttern in ihrem Online-Rückbildungskurs nun auch die Möglichkeit geben, Kontakte zu knüpfen. "Ich hänge am Ende noch ein paar Minuten für den Austausch an", so die Hebamme.
Venetzung per App
Auch Apps wie "Momunity" oder "Mello" wollen Eltern vernetzen. "Wir haben zur Zeit etwa 14.000 Nutzer, die meisten in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München", berichtet Mello-Gründerin Anna-Lena Gerber aus Berlin. Seit Sommer 2020 ist die App auf dem Markt. Sie richte sich auch an Väter, betont Gerber. Unter den Nutzern seien vor allem Eltern mit einem ersten Kind. "Viele hatten keine andere Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und suchen einfach jemanden zum Quatschen und Spazieren gehen", so Gerber.
Die junge Mutter Marlene Jones aus Berlin hat von der App bislang nur gelesen. "An unserem Spielplatz hängt ein Schild", erzählt sie. Die 37-Jährige hat zumindest noch im Geburtsvorbereitungskurs eine Gleichgesinnte kennengelernt. Ihr Sohn wurde im September 2019 geboren, war zu Beginn der Pandemie ein halbes Jahr alt. "Ich hätte gern einen Pekip-Kurs mit ihm besucht. Doch es fällt alles flach", bedauert die gelernte Hebamme und Pädagogin.
"Der Austausch unter den Müttern ist enorm wichtig und die Kurse sind gut für die Entwicklung der Kinder", sagt auch Yvonne Christ, Koordinatorin im Familienzentrum Groß und Klein in Wilmersdorf. Als ihr Zentrum nach dem ersten Lockdown wieder Kurse angeboten habe, habe es einen sehr großen Andrang gegeben.
Keine Krabbelgruppen möglich
Aktuell sei das Zentrum wieder geschlossen, einige Kurse würden online angeboten. Doch für Mütter mit kleineren Kindern seien diese nicht möglich. "Wir können keine Krabbelgruppen im Online-Format anbieten", so Christ. Besonders belastete Familien könnten auch einen Termin im Zentrum vereinbaren. "Manchmal hilft es schon, wenn man ein paar Minuten sprechen kann und das Kind ein neues Spielzeug sieht", so Christ.
Die "Stadtlandmama"-Autorin fordert eine Stärkung der Elternzentren: "Was spricht gegen feste Gruppen von drei oder vier Müttern mit Baby? Es wäre so wichtig, weil das den Mamas gut tut und das wiederum für eine gute und stabile frühe Bindung zu ihren Babys sorgt", betont sie. Und das sei mindestens genauso wichtig wie das Offenhalten von Kitas und Schulen.
Marlene Jones sagt, sie habe sich extra zwei Jahre Elternzeit genommen, um mit ihrem Kind viel zu unternehmen, auch um zu reisen. "Doch unser Alltag sieht nun sehr gleichförmig aus: Aufstehen, Spielen, Essen, Mittagsschlaf, Spazieren, Essen, Schlafen", erzählt die junge Mutter. Neben der anderen Mutter habe sie immerhin auch noch ihre Familie, die in der Nähe wohne. "Doch größere Treffen sind leider nicht möglich", bedauert sie.
"Andererseits bin ich froh, dass wir uns mit Baby in der Pandemie hier noch einigermaßen sicher fühlen können", betont sie. Außerdem sei sie froh darüber, dass die Pandemie erst nach der Geburt ihres Sohnes begann. "Sonst hätte ich, wie so viele andere Mütter, schon allein im Kreißsaal liegen müssen."
Aus Hebammensicht hat die Pandemie aber durchaus auch Vorteile für junge Mütter: "Weil der ganze Terminstress wegfällt, ist das Wochenbett für viele Frauen viel ruhiger. Die Frauen müssen nun nicht mehr so schnell wieder auf die Beine kommen. Das freut uns Hebammen sehr", so Kreusler. Das sieht auch Marlene Jones so: "Der ganze soziale Druck, dass man überall mit dem Kind hin muss, fällt weg."
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