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Die Königin von Katwe Schach-Boom in den Slums von Uganda und Kenia

Schach war in Uganda lange nur was für die gebildete Elite - nicht für Slum-Kids. Das hat Robert Katende geändert. Mit seiner Hilfe wurde vor allem ein Mädchen zum Schach-Star. Es inspiriert nun eine ganze Generation ugandischer Kinder.

Von Gioia Forster, dpa 11.09.2017, 10:05

Katwe (dpa) - Ein kahler, unscheinbarer Raum im Slum von Katwe. Darin stehen nicht mehr als ein paar alte Sitzbänke. Einige junge Ugander beugen sich über alte Schachbretter. Konzentriert starren sie auf die schwarzen und weißen Figuren.

Nur alle paar Minuten regt sich einer der Spieler und schiebt eine Figur über das Feld. Phiona Mutesi beobachtet das Ganze. Die 21-Jährige mit Brille, großen runden Ohrringen und roten Strähnen im Haar ist die Königin von Katwe.

Zumindest ist sie als Queen of Katwe bekannt. Die junge Frau ist in ärmsten Verhältnissen in dem Slum der ugandischen Hauptstadt Kampala aufgewachsen. Heute ist sie eine erfolgreiche Schachmeisterin und die Inspiration für den Disney-Film "Queen of Katwe", der im April dieses Jahres in Deutschland in den Kinos lief. Der Film hat sie in ihrem Heimatland berühmt gemacht - und einen Schach-Boom in den Slums von Kampala ausgelöst.

"Das Leben hier ist hart. So viele Kräfte arbeiten gegen dich", sagt Robert Katende, während er den Jugendlichen beim Schachspielen zuschaut. Dem 35-Jährigen hat Mutesi viel zu verdanken. Er ist derjenige, der eines Tages mit einem einzigen Schachbrett nach Katwe kam, einem Stadtteil von Kampala bestehend aus einfachen Hütten und dreckigen Staubstraßen, in dem Armut vorherrscht und Schulbildung ein Luxus ist. 

Denn er wusste, was das Spiel mit den 32 Figuren bewirken kann. "Schach ist eine Metapher für das Leben", sagt er. Man müsse Probleme lösen, eine Strategie entwickeln, Optionen abwägen und Entscheidungen treffen. Und mit Verlusten umgehen. "Sich nach Niederlagen wieder aufzurappeln, ist dabei der Schlüssel zum Erfolg." Für diejenigen, die in den Slums aufwachsen, sind das lebenswichtige Fähigkeiten. Mit dem Schachspielen verbesserten sich auch die Schulleistungen der Kinder, sagt Katende. Höhere Konzentration, bessere Disziplin, mehr Entschlossenheit.

So erging es auch Mutesi. Nachdem ihr Vater gestorben war, war ihre Mutter für die fünf Kinder allein verantwortlich. Mutesi und ihre Geschwister mussten die Schule verlassen. "Ich und meine Brüder verkauften Mais", erzählt die 21-Jährige. Von Schach hatte sie noch nie gehört, als sie eines Tages ihrem Bruder zu Katendes Schachgruppe folgte. Doch das junge Mädchen entpuppte sich als brilliante Schachspielerin - sie gewann unter anderem mehrmals die nationalen Junior-Meisterschaften und spielte im Alter von 14 Jahren bei der Schach-Weltmeisterschaft für ihr Land. Nun wartet ein Studium mit Stipendium in den USA auf sie. 

Was das in Uganda bedeutete, ist nicht zu unterschätzen. Schach war eher das Spiel der gebildeten Elite, es wurde in den eleganten Sälen der Privatschulen und Universitäten gespielt. Deshalb habe es auch etwa vom ugandischen Schachverband deutlich Widerstand gegeben, als Katende mit seinen Katwe-Kids an Turnieren teilnehmen wollte, erinnert er sich. Doch er hat sich durchgesetzt.

Das hat sich in den Slums herumgesprochen. "Vor allem die Zahl der Mädchen ist seit dem Film stark gestiegen", sagt Katende über seine Schüler. Er hat inzwischen 16 Schach-Akademien in ganz Uganda, in denen auch einige seiner ehemaligen Schüler unterrichten. Viele haben es aus den Slums und in die Universitäten Ugandas geschafft. Für seine Schüler ist Katende eine Art Vaterfigur, genannt wird er nur "Coach", also Trainer.

Dass Schach allein nicht ausreicht, um den Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, weiß der 35-Jährige. Mit Hilfe von Spendengeldern versucht er, für so viele seiner Schüler wie möglich die Schulkosten zu bezahlen. Oft nehmen er und seine Frau - eine Lehrerin -  auch einige der Kinder bei sich auf. Und er hat große Pläne: Mit seiner Organisation will er unter anderem eine eigene Schule gründen, in der Kinder aus unterprivilegierten Familien eine gute Bildung bekommen. Das Geld dafür sammelt er derzeit - noch warten Katende und Mutesi auf einen Anteil des Gewinns des Films.

Mittlerweile ist der Schach-Hype auch in den Slums des Nachbarlandes Kenia angekommen. Mithilfe von Katende und der Organisation Sports Outreach wird das Strategiespiel nun in mehreren Schulen in Mukuru kwa Njenga unterrichtet, einem Armenviertel von Nairobi. An einem Samstag haben sich hier fast 200 Kinder für ein Turnier eingefunden. Konzentriert sitzen die jungen Kenianer, manche nur sechs Jahre alt, an langen Tischen nebeneinander vor ihren Schachbrettern. "Ich liebe Schach, es zwingt einem zum Nachdenken", sagt die achtjährige Rebeka Mutanu. 

"Sie werden vielleicht nicht alle Schachmeister werden", sagt Katende über seine Schüler. "Ich will aber, dass sie Meister in ihren eigenen Leben werden."

Som Chess Academy

Webseite Robert Katende